zurück StartseiteDer Planet AgibaraniaWesen und OrteTitelseiteInhaltsverzeichnis2a) Warten


Warten


Skukius begleitete Rafyndor zurück zu seiner Waldhütte.
Nachdem die vier Gefährten zunächst in die Kristallhöhle zurückgekehrt waren, um die Zaubergemeinschaft von der drohenden Ankunft des Schleiersturms in Kenntnis zu setzen und die letzten, unmittelbaren Vorbereitungen anzustoßen − wie das Einsammeln der Tiere in ihre Schutzunterkünfte und das Unterbringen der Alten und Kinder in den sicheren Häusern −, begab sich Rafyndor mit Skukius an seiner Seite zurück zu seiner bescheidenen Waldhütte.

Rafyndor hatte den Korvum-Raben gebeten, ihn zu begleiten, da ihm das Entschlüsseln der Botschaften des Silberfederadlers stets schwerfiel, während Skukius diese mühelos zu verstehen schien.

Seine Neugier darüber, wie Skukius sich diese Fähigkeit angeeignet hatte, war gewachsen, doch hielt er sich an das Versprechen, den Raben nicht über dessen Vergangenheit auszufragen. Er vertraute darauf, dass Skukius von sich aus eines Tages bereit sein würde, ihm die Wahrheit anzuvertrauen.

Auch Skukius war sich bewusst, dass ihm in der Begegnung mit dem Silberfederadler mehr über seine Vergangenheit entglitten war, als er preiszugeben beabsichtigt hatte. Doch er schätzte es an seinen Gefährten, dass sie nicht weiter nachbohrten, sondern das Gesagte einfach übergingen. In diesem Moment fasste er einen Entschluss: Eines Tages würde er ihnen seine Geschichte erzählen. Aber noch war die Zeit dafür nicht reif.

Bei ihrer Ankunft an der Waldhütte machten sich Rafyndor und Skukius daran, die Tiere in die ihnen zugewiesenen Höhlen zu treiben. Pranicara hatte im Vorfeld jedem Tier einen Zufluchtsort zugeteilt, sodass die beiden kaum Schwierigkeiten mit dieser Aufgabe hatten. Es genügte, den Tieren mitzuteilen, dass der Schleiersturm nahte, und sie eilten von selbst in ihre vorgesehenen Verstecke.

Nachdem alle Tiere untergebracht waren, legte Rafyndor ein schützendes magisches Netz über die Höhleneingänge, um sie vor den Auswirkungen des Sturms zu bewahren. Skukius allerdings verweigerte jede Mithilfe bei diesem Teil der Aufgabe.



Rafyndor und Skukius trieben die Tiere in die Höhlen.

Rafyndor vermutete, dass dies mit der geheimnisvollen Vergangenheit des Raben zusammenhing, doch er nahm dessen Entscheidung kommentarlos hin und schloss die Arbeit alleine ab.

Währenddessen widmete sich Pranicara den Tieren des Parks und brachte sie in die sicheren Gebäude, während Lililja zusammen mit Meister Lehakonos, Jadoruc und den anderen Zauberweisen zum Zauberbogenweiher eilte, wo sie gemeinsam den Schutzschirm über die Hauptstadt legen wollten.

Im Zentrum der Hellen Magie lag eine gespannte Erwartungshaltung in der Luft. Alle hofften, dass die ergriffenen Maßnahmen ausreichen würden und nicht ein übersehenes Detail eine verhängnisvolle Kettenreaktion auslöste.



Skukius und Rafyndor warteten auf die Nachricht des Silberfederadlers.

Als die Höhlen sicher verschlossen waren, suchten Rafyndor und Skukius einen Felsen am Waldrand auf, um auf die Rückkehr des Silberfederadlers zu warten, der die Nachricht über das unmittelbare Nahen des Schleiersturms überbringen sollte.

Während sie dort saßen, kreisten Rafyndors Gedanken um Skukius und dessen auffällige Abneigung gegenüber den Silberfederadlern. Der spöttische Ausdruck „arrogante Graureiher“, den Skukius für den edlen Havaleon gebraucht hatte, ließ sich kaum allein durch den ungewöhnlichen Sprachstil der Adler erklären.

Rafyndor hatte den Raben als ein Wesen kennengelernt, das selten über andere herzog. Es musste eine persönliche Erfahrung geben, die diese Haltung geprägt hatte.

Um das Thema vorsichtig anzuschneiden, fragte Rafyndor betont beiläufig, ohne den Blick vom Himmel abzuwenden: „Hast du je darüber nachgedacht, warum die Silberfederadler so geschwollen sprechen, dass ein gewöhnliches Wesen kaum einen Sinn darin erkennt?“

Skukius warf ihm einen misstrauischen Blick zu, doch Rafyndor verharrte gelassen und schien nur nach dem Adler Ausschau zu halten. Schließlich entschied der Korvum-Rabe, dass die Frage wohl nicht darauf abzielte, ihn auszufragen, und antwortete nach kurzem Zögern: „Ich vermute, dass sie sich durch ihre Höhenflüge über den Rest der Welt erhaben fühlen. Vielleicht glauben sie tatsächlich, die Herrscher der Schöpfung zu sein, und ihr Sprachstil ist lediglich eine Möglichkeit, diese Arroganz zu demonstrieren.“

Rafyndor nickte nachdenklich. „Sie wirken tatsächlich ziemlich hochmütig“, bemerkte er schließlich.

„Oh ja, das sind sie wahrlich“, seufzte Skukius. „Sie kümmern sich um niemanden außerhalb ihrer eigenen Kreise. Ich war ehrlich überrascht, dass du es geschafft hast, den ‚edlen Havaleon‘ dazu zu bringen, dir zu dienen.“

Überrascht drehte Rafyndor den Kopf zu ihm. „Wirklich? Warum?“

Skukius zuckte innerlich zusammen. Schon wieder hatte er mehr verraten, als ihm lieb war.



Rafyndor stimmte Skukius zu, dass die Silberfederadler recht hochmütig wirkten.

Worte, die ihm so leicht über die Schnabelspitze gekommen waren, ließen ihn bereuen, keine Vorsicht walten gelassen zu haben.

Eine Weile musterte der Korvum-Rabe seinen Gefährten Rafyndor und ließ seine Gedanken zu den Anfängen ihrer Freundschaft zurückwandern.



Skukius erinnerte sich daran, wie Rafyndor ihn von Beginn an immer unterstützt hatte und immer ehrlich zu ihm gewesen war.

Rafyndor hat sich mir gegenüber von Anfang an offen und ehrlich gezeigt, sinnierte er. Als Meister Lehakonos mich damals in seinen Kreis von Schülern aufnahm, gehörte Rafyndor nicht zu jenen, die hinter vorgehaltener Hand tuschelten oder sich darüber lustig machten, dass ich ein Vogel bin. Er erklärte mir geduldig alles, beantwortete jede meiner Fragen aufrichtig und ohne Zögern. Niemals fragte er nach meiner Herkunft oder ließ mich auch nur im Entferntesten spüren, dass er mich geringer achtete als sich selbst oder die anderen Schüler. Für ihn war ich einfach ein weiterer Schüler von Meister Lehakonos − ein Wesen mit ebenso viel Anspruch auf Wissen und Magie wie jeder andere.

Ein warmes Gefühl durchströmte ihn bei diesen Erinnerungen. Er hat mich sogar verteidigt, als einige überhebliche Elfen es amüsant fanden, mich mit Steinen zu bewerfen. Und er war es, der mir geholfen hat, die helle Magie in mir zu entdecken. Hat er es nicht verdient, dass ich ihm gegenüber ein wenig offener bin? Auch wenn ich meine Vergangenheit am liebsten vergessen würde?

Mit einem tiefen Seufzen durchbrach Skukius schließlich das Schweigen. „Bevor ich zu euch gestoßen bin, lebte ich im Gebirge“, begann er mit brüchiger Stimme. „Ich kenne die Silberfederadler nur zu gut. Sie interessieren sich ausschließlich für ihre eigenen Belange − alles andere ist ihnen gleichgültig.“ Bitterkeit schlich sich in seinen Ton. „Selbst wenn ihre Arroganz andere in den Tod treibt, kümmert sie das nicht.“

Er verstummte abrupt.

Rafyndor spürte, wie die Worte des Raben eine Wunde offenbarten, die tief in dessen Innerem klaffte. Die Bitterkeit in Skukius′ Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er von einer schmerzhaften Erinnerung sprach. Rafyndor bereute augenblicklich, seiner Neugier nachgegeben und das Thema angeschnitten zu haben. Er nahm sich fest vor, nie wieder Fragen zu stellen, die in Skukius′ Vergangenheit wühlen könnten.

Doch bevor er eine Entschuldigung aussprechen konnte, sprach Skukius weiter, als wollte er den Bann des Schweigens endgültig brechen: „Silberfederadler sind immun gegen jede Form von Magie − wusstest du das? Du kannst sie weder mit dunklen Flüchen belegen noch mit Magie heilen. Sie stehen irgendwie außerhalb des magischen Gefüges. Dunkle Magier fürchten sie.“

Eine kurze Pause entstand, ehe er fortfuhr: „Wenn du dich vor einem dunklen Magier verstecken willst, ist es hilfreich, ihren überheblichen Sprachstil zu beherrschen. Diese Magier tragen oft ein ‚Amulett der Wortverwandlung‘, mit dem sie die Sprache eines jeden Wesens verstehen können. Sprichst du in diesem abgehobenen Stil, werden sie dich meiden. Sie werden nicht nach der Quelle der Stimme forschen.“



Skukius erzählte ein wenig von seinem früheren Leben im Gebirge bei den Dunklen Magiern.

Wieder fiel er in Schweigen.

Rafyndor war tief bewegt. Skukius gewährte ihm einen Einblick in eine Vergangenheit, die voller Schmerz und Entbehrungen stecken musste. Er sagte nichts, spürte, dass Worte in diesem Moment fehl am Platz gewesen wären. Skukius trug einen inneren Kampf aus, und jeder Kommentar hätte diesen nur unnötig erschwert.



Skukius wollte wissen, wie Rafyndor Havalon überreden konnte, für ihn zu arbeiten.

Schließlich schüttelte der Korvum-Rabe sein Gefieder und wandte sich Rafyndor zu. Bevor dieser etwas sagen konnte, fragte Skukius mit spitzbübischem Unterton: „Sag mir, wie hast du es geschafft, dass dieser arrogante Graureiher für dich arbeitet?“

Rafyndor erkannte, dass Skukius auf keine Reaktion zu seiner Offenbarung wartete − weder Mitleid noch Dank für das entgegengebrachte Vertrauen. Also nahm er die Gelegenheit wahr und antwortete darauf. „Genau weiß ich das auch nicht“, gestand er. „Ich habe ihn gerufen, mich bemüht, seine Art zu sprechen nachzuahmen, und eine tiefe Verbeugung gemacht, als ich ihn bat, mir Nachricht zu überbringen.“

Skukius kicherte leise, und in seinem Blick lag eine Mischung aus Amüsement und Respekt. „Du bist ja ein wahrer Taktiker!“, bemerkte er schmunzelnd. „Du hast ihn genau an seiner empfindlichsten Stelle gepackt: seinem Stolz. Anerkenne seine vermeintliche Überlegenheit und huldige ihm − schon wird er weich wie Wachs.“

Rafyndor zuckte mit den Schultern und grinste. „Vielleicht. Ich fand seinen Sprachstil jedenfalls faszinierend und dachte, es wäre höflich, mich ihm anzupassen.“

Ein kehliges Lachen drang aus Skukius′ Schnabel, und Rafyndor fühlte sich erleichtert. Die angespannte Atmosphäre, die durch seine unbedachte Frage entstanden war, löste sich auf. Nein, nahm sich Rafyndor vor, künftig würde er vorsichtiger sein. Skukius trug Lasten, die ihn zu sehr schmerzten, um sie leichtfertig hervorzuholen. Es war besser, diese Wunden ruhen zu lassen − bis der Rabe selbst bereit war, mehr zu erzählen.

Plötzlich durchbrach ein tiefes, rhythmisches Rauschen die Stille der Umgebung. Es war Havaleon, der majestätische Silberfederadler, der sich ihrer Anwesenheit näherte. Mit einem letzten kraftvollen Schlag seiner imposanten Schwingen ließ er sich auf einem Felsen vor ihnen nieder. Sein Anblick war erhaben.



Havaleon meldete die Ankunft des Schleiersturms.

Mit durchdringendem Blick aus goldgelben Augen und einer hoheitsvollen Neigung des Kopfes sprach er, seine Stimme ein Gemisch aus Würde und Poesie:

„Gesegnet sei die Stunde, in der sich der Schleiersturm, dieser urzeitliche Wächter der Mysterien, vor dem majestätischen Arboretum der Metropole Vanavistarias erhebt und sein Blick, von unermüdlicher Sehnsucht und verhüllter Ehrfurcht erfüllt, nach Durchdringung des Hains verlangt. Bald schon wird er in schwindelerregender Pracht eintreten und das Gefüge der Botanik mit seiner wogenden Präsenz umhüllen, uns hüllend in ein neues Zeitalter, in dem das Unbekannte seine Geheimnisse enthüllt und das Vertraute neu formt.“

Rafyndor stand wie erstarrt, seine Gedanken noch bemüht, die komplexe Botschaft des Adlers zu entschlüsseln. Doch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, trat Skukius mit einer tiefen Verbeugung vor. Mit einer Stimme, die von ehrfurchtsvoller Unterwerfung und wohlgesetzter Rhetorik getragen war, antwortete er:

„Erhabener und gütiger Havaleon, wir beugen uns in Demut vor der Weisheit und Güte, die uns durch deine unvergleichliche Botschaft zuteil wurde. Deine Hingabe und Treue sind uns eine unauslöschliche Quelle der Inspiration, und wir tragen unsere Dankbarkeit für dich tief in unseren Herzen. Doch wie die Gezeiten des Schicksals ihre Richtung ändern, so fordert auch das Rad der Zeit von uns, uns dem Wandel zu stellen. Es schmerzt uns zutiefst, dich wissen zu lassen, dass deine unvergleichliche Fürsorge nicht länger in dem Maße erforderlich ist, wie sie es einst war. Dies auszusprechen fällt schwer, da wir die kostbare Bindung, die uns mit deinem edlen Wesen vereint, überaus schätzen. Doch ist es der Lauf des Lebens, der uns zu dieser Entscheidung führt. In dieser Stunde des Abschieds möchten wir unsere unveränderte Wertschätzung betonen. Deine Majestät und Großzügigkeit werden auf immer in unseren Erinnerungen leuchten.“



Mit einer tiefen Verbeugung und vielen Worten bedankte sich Skukius bei dem Silberfederadler.

Havaleon neigte den Kopf mit einer Mischung aus Würde und Akzeptanz, ehe er seine mächtigen Schwingen ausbreitete und in die Lüfte emporstieg. Mit majestätischem Schwung entschwand er in den Höhen des Himmels.

Rafyndor wandte sich mit fragendem Blick an Skukius. „Ihr habt viele Worte gebraucht“, bemerkte er nachdenklich, „doch was genau habt ihr gesagt?“

Der Korvum-Rabe hob eine Augenbraue und übersetzte knapp: „Havaleon hat uns mitgeteilt, dass der Schleiersturm am Rand des Waldes angekommen ist und bald über das Zentrum der Hellen Magie ziehen wird. Ich habe ihm dafür gedankt und erklärt, dass seine Dienste nicht mehr benötigt werden.“

Ohne weitere Erklärungen setzte Skukius sich in Bewegung. Mit seiner kräftigen Stimme rief er durch die Wälder und Straßen, um die Einwohner der Hauptstadt vor der Ankunft des Sturms zu warnen.



Skukius unterrichtete die Einwohner des
Zentrums der Hellen Magie über die
Ankunft des Schleiersturms.

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