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Rafyndor arbeitete unermüdlich, bis die Sonne sich tief dem Horizont zuneigte, die letzten Strahlen wie goldene Fäden über die Erde spannend. Als er sein Tagewerk beendete, spürte er, wie sein Herz schneller schlug, eine flüchtige, doch klare Aufregung durchströmte ihn.
Bald würde er ihr wieder begegnen − Lililja, seiner Lililja.
Der Gedanke an ihr unverstelltes Lachen und die überschwängliche Freude, die sie beim letzten Treffen offenbart hatte, ließ ein warmes Gefühl in ihm aufsteigen. Jene Freude, die Etikette und Förmlichkeit hinwegfegte, als sie sich ohne Zögern in seine Arme warf.
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Als sich die Sonne dem Horizont näherte, beendete Rafyndor sein Tagewerk und freute sich auf das Treffen mit Lililja.
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Es hatte ihn tief berührt, sie so nah bei sich zu wissen, ihre weiche Wange unter seiner Hand zu spüren, während die vertraute Nähe vergangener Tage sie kurzzeitig vereinte. Für einen flüchtigen Moment war sie wieder das unbeschwerte Elfenmädchen von einst, das mit ihm lachend durch den Wald geeilt war, auf der vergeblichen Jagd nach dem Regenbogen.
Doch die Gegenwart hatte sie zurückgerufen. Lililja, die Hüterin der Natur und der Magie, hatte sich aus seiner Umarmung gelöst, um ihren Pflichten nachzugehen. Und doch − das Strahlen in ihren Augen, als sie sich zum Abschied noch einmal zu ihm umwandte, war wie ein stummes Geständnis. Sie liebte ihn, dessen war er sicher. Aber liebte sie ihn auf jene tiefgreifende, alles verändernde Weise, die sein Herz für sie empfand?
Dennoch, er würde nichts überstürzen. Rafyndor wusste, dass er ihre Verbindung nicht durch voreilige Worte gefährden durfte. Wenn sie dieselben Gefühle für ihn hegte, würde sie den ersten Schritt tun, da war er überzeugt. Bis dahin würde er geduldig sein, jeden gemeinsamen Augenblick mit ihr genießen und in ihren Gesten nach Antworten suchen.
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Lililja wirkte, als würde die Sonne durch sie hindurchscheinen.
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Als er den vereinbarten Treffpunkt erreichte, fiel sein Blick auf ihre Silhouette, umrahmt vom goldenen Glanz der untergehenden Sonne. Sie wandte sich ihm zu, ein Ausdruck tief empfundener Wärme in ihren Augen, der ihn glauben ließ, die Sonne selbst scheine durch sie hindurch. Sein Herz weitete sich in einem Glücksgefühl, so rein und vollkommen, dass er sich keinen Augenblick vorstellen konnte, der ihn glücklicher machen würde.
Sie nahm seine Hand in die ihre − eine zarte Geste, die sie seit ihrer Wahl zur Hüterin der Natur nicht mehr gezeigt hatte. Gemeinsam schlenderten sie den gewundenen Pfad entlang, umgeben von der Schönheit des Zentrums der Hellen Magie, einer Harmonie aus Licht, Leben und sanft rauschendem Wind.
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Lange Zeit blieben sie stumm, verbunden durch ein Einverständnis, das keiner Worte bedurfte. Schließlich durchbrach Lililja die Stille, ihre Stimme sanft, doch von ernster Besorgnis durchzogen.
„Rafyndor“, begann sie zögerlich, „ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Seit ich dich kenne, bist du immer zu mir gekommen, wenn dich etwas bedrückt hat. Doch dieses Mal... dieses Mal warst du nicht da. Ich konnte nicht verstehen, warum du mir auswichst.“
Rafyndor hatte diese Frage erwartet, und er hatte seine Antwort bereits sorgsam vorbereitet. Er wusste, dass er ihr die wahre Ursache nicht offenbaren konnte, doch er würde so nahe wie möglich an der Wahrheit bleiben.
„Weißt du“, setzte er bedächtig an, „Meister Lehakonos sprach an jenem Morgen von der Entzweiung der magischen Völker − darüber, wie sie sich in Uneinigkeit über die Natur der Aufgabe, die der Schleiersturm bringen wird, zerstritten hatten. Seine Worte haben mich tief bewegt, und der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Am Ende war ich so verwirrt, dass ich mich selbst nicht mehr verstand. Ich glaube... ich bin einfach vor meiner eigenen Angst davongelaufen.“
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Lililja musterte ihn mitfühlend, und ihr Blick spiegelte Verständnis. Sie wusste um seine sensible Natur und fand seinen Grund glaubhaft.
„Versprich mir eines, Rafyndor“, sagte sie dann, und ihre Augen bohrten sich durchdringend in die seinen. „Versprich mir, dass du beim nächsten Mal mit deiner Angst zu mir kommst. Du ahnst nicht, wie sehr ich mich um dich gesorgt habe. Ich konnte kaum meinen Aufgaben nachgehen, weil ich die ganze Zeit überlegte, ob ich etwas gesagt oder getan habe, das dich von mir fortgetrieben hat.“
Rafyndor blieb erschüttert stehen. Der Gedanke, dass Lililja sich selbst die Schuld an seiner Abwesenheit geben könnte, hatte ihn nie gestreift.
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Lililja und Rafyndor sprachen während ihres Abendganges über Rafyndors Ängste.
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„Nein“, flüsterte er, seine Stimme von Emotionen getragen. „Nein, Lililja, niemals hast du etwas Falsches gesagt oder getan, das mich von dir hätte entfernen können.“ Ohne weiter nachzudenken, zog er sie in seine Arme. „Du bist mein Anker in jedem Sturm, mein Fels in der Brandung. Bitte, Lililja, lass solche Gedanken nie wieder in dein Herz eindringen. Es war allein mein Fehler, mein eigenes Problem – du trägst keinerlei Schuld daran.“
Lililja erwiderte die Umarmung mit einer Sanftheit, die Rafyndors Herz noch tiefer berührte. Schließlich löste sie sich sanft von ihm, ihre Augen strahlten, und ein Lächeln, das wie ein Sonnenaufgang wirkte, lag auf ihren Lippen.
„Ich bin einfach froh, dass du wieder hier bist“, sagte sie mit leiser Wärme. „Aber bitte, Rafyndor, versprich mir, dass du mich nie wieder ohne Erklärung zurücklässt. Ich wüsste nicht, ob ich das noch einmal ertragen könnte.“
Rafyndor spürte, wie sein Gewissen schwer auf ihm lastete, erfüllt von Reue darüber, dass er ihr solche Zweifel zugemutet hatte. Doch er lächelte, ein kleiner Funke von Humor blitzte in seinen Augen, als er sagte: „Ich verspreche dir, beim nächsten Mal werde ich dir klar sagen, ob es an dir liegt − oder nicht.“
Lililja knuffte ihn lachend in die Seite, und die Spannung löste sich aus der Luft. Sie schlenderten gemeinsam weiter, der Pfad vor ihnen hell erleuchtet von den ersten Sternen, die den Himmel zu zieren begannen.
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Rafyndor erzählte Lililja von Havaleon, dem Silberfederadler, den er überreden konnte, die Grenzen der Hauptstadt im Blick zu behalten.
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„Heute habe ich Vorkehrungen getroffen, um rechtzeitig über die Ankunft des Schleiersturms informiert zu werden“, begann Rafyndor, das Gespräch wiederaufnehmend.
Lililja blickte ihn neugierig an, und Rafyndor wies zum Himmel, wo hoch oben ein Silberfederadler seine majestätischen Kreise zog. Ob es Havaleon war, konnte er aus dieser Entfernung nicht erkennen. „Ich habe einen dieser prachtvollen Silberfederadler gebeten, die Grenzen der Hauptstadt zu überwachen und uns zu warnen, sobald der Sturm naht“, erklärte er.
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Lililja zeigte sich beeindruckt. „Das ist eine ausgezeichnete Idee!“, rief sie aus und drückte seine Hand voller Anerkennung.
Rafyndor schmunzelte. „So beeindruckend diese Vögel auch sind, die Unterhaltung mit ihnen gestaltet sich jedoch alles andere als einfach“, gab er zu. „Es gleicht dem Versuch, eine Akharota-Nuss zu knacken − bevor du den Kern erreichst, musst du erst die harte Schale durchdringen.“
Nach einer kurzen Pause wechselte Rafyndor das Thema. „Übrigens, ich habe den Übeltäter gefunden, der sich an den Bimara-Buchen vergangen hat.“
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Lililja riss die Augen erstaunt auf. „Und wie sah das Wesen aus? Du meintest doch, es sei kein Tier, das dir bekannt ist.“
„Nun ja“, antwortete Rafyndor mit einem resignierten Seufzen, „es ist ein Schlitzohr − ein gewitzter kleiner Unruhestifter, der mehr Unsinn im Kopf hat als Verstand.“
Lililja runzelte verwirrt die Stirn, doch Rafyndor griff mit einem verschmitzten Lächeln an seine Lippen, pfiff durch die Finger und rief: „Rangalo!“
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Rafyndor erzählte Lililja, dass er den Verursacher der Fraßspuren an den Bimara-Buchen entdeckt hatte.
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Ein bunter Vasta-Sperling flatterte sogleich herbei und landete geschickt auf Rafyndors ausgestrecktem Zeigefinger.
„Das hier ist das große, gefährliche Tier mit den angeblichen Reißzähnen, das die Bimara-Buchen angegriffen hat“, sagte Rafyndor scherzhaft und stellte den kleinen Vogel Lililja vor. „Ein ausgebuffter Vasta-Sperling, der mich mit seinen Streichen dermaßen beeindruckt hat, dass ich ihm einen Namen geben musste. Rangalo. Weißt du, diese Sperlinge tragen keine Namen, weil sie so zahlreich sind, dass sich niemand die Mühe macht, sie zu benennen. Doch bei ihm konnte ich nicht widerstehen.“
Er wandte sich an Rangalo und sprach in der melodischen Sprache der Vasta-Sperlinge. „Übrigens, Rangalo, über meiner Tür lagen neulich eine Menge Federn und Blätter, die der Wind dort offenbar ganz zufällig hineingetrieben haben muss.“
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Rafyndor rief Rangalo herbei und stellte ihn Lililja vor.
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Lililja verstand zwar nichts von dem Gezwitscher, doch sie erkannte, dass Rafyndor und der kleine Vogel sich angeregt unterhielten, wobei Rafyndor amüsiert wirkte.
Rangalo erwiderte schelmisch: „Und, was geschah, als du die Tür öffnetest?“
„Gar nichts“, entgegnete Rafyndor zur Enttäuschung Rangalos, „denn ich hatte die Federn und Blätter vorher entfernt.“
Der Vasta-Sperling zuckte mit den Flügeln. „Schade“, pfiff er und flatterte davon.
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Rafyndor lachte herzhaft und wandte sich Lililja zu. „Er hatte über meiner Tür einen kleinen Streich geplant. Mikon hat mich glücklicherweise vorgewarnt − sonst hätte ich beim Betreten meiner Hütte einen wahren Dreckregen abbekommen.“
Er seufzte und fügte mit gespielt ernster Miene hinzu: „Ich muss mir dringend eine sinnvolle Aufgabe für diesen kleinen Racker überlegen. Andernfalls wird er mir mit seinen Streichen noch das Leben zur Hölle machen. Ich glaube, er langweilt sich schrecklich.“
Während sie den Weg weitergingen, führte ihr Pfad sie an glitzernden Bächen und blühenden Wiesen vorbei, deren Farben selbst in der Abenddämmerung noch leuchteten, und durch lichte Wälder, die bei Tageslicht von goldenen Strahlen durchzogen wurden. Schließlich erreichten sie die Weggabelung, an der sie sich stets voneinander verabschiedeten.
Rafyndor zog Lililja in eine herzliche Umarmung, die er dieses Mal etwas länger hielt. „Es tut mir leid, dass ich dir solche Sorgen bereitet habe“, flüsterte er. „Das wird nicht wieder vorkommen.&/ldquo;
Lililja löste sich sanft aus der Umarmung, legte ihre Hand an seine Wange und sah ihm tief in die Augen. „Seit ich dich kenne, warst du für mich wie ein kleiner Bruder, um den ich mich kümmern muss. Ich liebe dich, Rafyndor, und du sollst immer wissen, dass du zu mir kommen kannst − was auch immer dich bedrückt.“
Ein schmerzlicher Stich durchfuhr Rafyndors Herz, doch er ließ sich nichts anmerken. Stattdessen lächelte er und antwortete mit leicht heiserer Stimme: „Das weiß ich.“
Lililja wandte sich zum Gehen, winkte ihm ein letztes Mal zu und verschwand in ihrem Haus. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, kehrte Rafyndor ebenfalls zu seiner Hütte zurück.
Doch die Freude, die ihn an diesem Tag erfüllt hatte, wich einer bitteren Erkenntnis. Lililja würde ihn nie auf die Weise lieben, wie er sie liebte. Niedergeschlagen und mit einer schweren Last auf der Seele ging er den stillen Weg nach Hause.
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Niedergedrückt folgte Rafyndor dem Weg zu seiner Hütte.
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