zurück StartseiteDer Planet AgibaraniaWesen und OrteTitelseiteInhaltsverzeichnis1q) Waldschutz


Waldschutz

Rafyndor eilte durch das dichte Geflecht des Waldes, seine Gedanken wie ein wilder Schwarm Vögel, der nicht zur Ruhe kommen wollte. Die Zeit drängte, der Schleiersturm rückte unaufhaltsam näher, und die Sicherung des Waldes war bei weitem nicht abgeschlossen. Noch lag eine gewaltige Aufgabe vor ihm.

Am Morgen, in der Kristallhöhle, hatte ihn Meister Lehakonos direkt auf seinen Fortschritt angesprochen. Rafyndor hätte sich am liebsten in den Schatten eines uralten Baumes zurückgezogen, unsichtbar für die fragenden Blicke. Er wusste, dass er in den entscheidenden Stunden, in denen er sich der Verantwortung hätte stellen müssen, mit seinen persönlichen Problemen gerungen hatte.

Rafyndor war bewusst, dass er sich beeilen musste, wollte er die Sicherung des Waldes rechtzeitig abschließen.

Lililja hatte ihm einen leichten Stoß gegeben und leise, doch eindringlich, zugeflüstert: „Pranicara und ich werden dir helfen. Nun sag doch endlich etwas!“ Ihre Worte hatten ihn aufgerüttelt, und so hatte er schließlich, zögerlich und unsicher, verkündet, dass er die Sicherung in drei oder vier Tagen abschließen könnte. Doch in seinem Inneren nagte der Zweifel. Konnte er das wirklich schaffen?

Als der alte Lehrmeister ihm darüber hinaus die Verantwortung für den Schutz der Tiere übertragen wollte, hatte sich das Gefühl der Überforderung wie eine schwere Last auf ihn gelegt. Ein weiteres unmögliches Ziel! Doch das Schicksal hatte eingegriffen, in Gestalt von Jadoruc, dem schwergewichtigen Vykati, der sich zu Wort gemeldet und Pranicara für diese Aufgabe vorgeschlagen hatte. Rafyndor war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Dennoch war ihm nicht entgangen, wie Jadoruc ihn gemustert hatte − ein Blick voller stiller Missbilligung. Mit Recht, wie Rafyndor einräumte. Sein Verhalten, das Ausweichen vor den eigenen Pflichten, war unverzeihlich gewesen.

Doch er konnte die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Was er tun konnte, war, mit aller Entschlossenheit an der Gegenwart zu arbeiten. Seine Aufgabe war klar: Die Bäume des Waldes mussten gefestigt und in einen tiefen, traumlosen Schlaf versetzt werden, um dem tobenden Sturm standzuhalten.

Rafyndor begann bei einem der magischen Knotenpunkte. Mit einem tiefen Atemzug kniete er nieder, legte die Hände auf den kühlen Boden und ließ seinen Geist mit der Erde verschmelzen.

„Enkara!“ Das Wort hallte in seinem Inneren wider, während die Wurzeln der umliegenden Bäume sich tief in die Erde gruben, bis sie sicher verankert waren.



Rafyndor verankerte die Bäume erst fest im Boden, dann versetzte er sie in Tiefschlaf.

Danach bereitete er sie auf die Stille vor. „Maja Urkajus!“ Mit diesem Zauber versetzte er sie in den Tiefschlaf − ein Zustand, in dem sie weder das Brausen des Sturms noch die schmerzhafte magische Ernte der Früchte spüren würden.

Rafyndor konnte sich die Qualen der Bäume lebhaft vorstellen: Alle Früchte auf einmal geerntet − ein Schmerz, so groß, als risse man ihm selbst auf einen Schlag seine gesamte Lockenpracht vom Kopf.

Der Vormittag verging, während Rafyndor von Knotenpunkt zu Knotenpunkt eilte. Er fühlte, wie die Anstrengung an ihm zehrte, doch er konnte nicht nachlassen.

Als der Nachmittag heranbrach, dämmerte ihm, dass er in diesem Tempo niemals rechtzeitig fertig werden würde. Panik stieg in ihm auf. Er brauchte Hilfe – und zwar dringend.

Seine Gedanken wanderten zu Lililja und Pranicara, die versprochen hatten, am Abend zu kommen. Allein der Gedanke an Lililja ließ ihn kurz innehalten. Ihre Worte, bei der letzten Verabschiedung gesprochen, hatten ihn tief getroffen: Sie liebe ihn wie einen kleinen Bruder. Die Tiefe seiner eigenen Gefühle für sie machte diese Feststellung umso schmerzhafter.

Niedergeschlagen war er an jenem Abend in seine Hütte zurückgekehrt, die Dunkelheit um sich schließend wie einen schützenden Mantel. Doch auch inmitten düsterer Gedanken war ihm ein Hoffnungsschimmer geblieben: Bilder, Wunschvorstellungen, in denen er und Lililja ein gemeinsames Leben führten.

Diese Vorstellungen trugen ihn durch die Nacht, und mit der ersten Morgenröte hatte er einen Entschluss gefasst: Er würde nicht aufgeben. Geduldig wollte er darauf warten, dass Lililja eines Tages mehr in ihm sehen würde als nur den „kleinen Bruder“.



In der Dunkelheit seiner Hütte stellte sich Rafyndor ein gemeinsames Leben mit Lililja vor.

Getröstet von dieser Hoffnung richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die drängende Gegenwart. Hilfe − er brauchte Hilfe, und zwar sofort. Da kam ihm ein Gedanke: Skukius, der Korvum-Rabe. Der Vogel hatte sich oft genug beklagt, dass ihm keine Aufgabe übertragen wurde, obwohl er sich nur zu gerne nützlich machen wollte. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen, ihm eine Chance zu geben.

Rafyndor legte die Finger an die Lippen und stieß einen durchdringenden Pfiff aus. Kaum verklang der Ton, erschien Skukius lautlos wie ein Schatten am Himmel und ließ sich anmutig auf einem Ast nieder.

„Hör zu, Skukius“, begann Rafyndor mit einem ernsten Ton, „ich weiß, dass du nach einer Aufgabe suchst, bei der du dich für den Schutz unserer Hauptstadt einbringen kannst. Ich hätte da etwas für dich − eine bedeutende Arbeit, die nicht nur mir helfen würde, sondern auch dem Zentrum der Hellen Magie. Ich muss gestehen, ohne Unterstützung werde ich nicht rechtzeitig fertig.“



Rafyndor bat Skukius, ihm beim Ernten der Bäume zu helfen.

Der Korvum-Rabe musterte ihn argwöhnisch, ein Auge zu einem schmalen Schlitz verengt, das andere besonders geweitet. „Was genau hast du im Sinn?“, fragte er misstrauisch, den Kopf schief gelegt.

„Die Bimara-Buchen“, erklärte Rafyndor, „ihre Früchte müssen geerntet werden, damit ich sie in die Höhlen schaffen kann. Ich könnte dir ein Netz unter den Baum spannen, in das du die Bucheckern fallen lässt. Während du dich darum kümmerst, könnte ich mich den Schutzblättern der Blattwichtel widmen. Wenn du dich bereit erklärst, zumindest alle Bimara-Buchen zu übernehmen, bliebe mir genug Zeit, um mich um die anderen Bäume zu kümmern.“

Ein Funke ernsthafter Entschlossenheit blitzte in den Augen des Vogels auf. Dies war keine nebensächliche Beschäftigung, sondern eine Aufgabe von Gewicht − eine, die Rafyndor ihm aus vollem Vertrauen übertrug.

Es war das erste Mal, seit das drohende Unheil des Schleiersturms bekannt geworden war, dass jemand ihm zutraute, einen bedeutsamen Beitrag zu leisten. Skukius fühlte, wie Stolz und Freude in ihm aufstiegen, und nickte entschlossen. Ein unerwartetes Leuchten durchbrach plötzlich die Federn seiner Krone, sendete magisches Licht aus, das wie lebendig schien.

Rafyndor starrte mit offenem Mund. „Was − was war das?“, stammelte er.

Skukius sah ihn erschrocken an, der Glanz seiner Federkrone schwand augenblicklich. „Ich... ich weiß es nicht“, gestand der Rabe zögerlich. „Manchmal passiert das, wenn ich mich wirklich sehr freue.“

Rafyndor betrachtete den Vogel lange, seine Stirn gerunzelt vor Nachdenken. Schließlich murmelte er: „Könnte es sein, dass Magie in dir steckt, Skukius?“




Vor lauter Freude begann Skukius’ Federkrone magisch zu leuchten.

„Meister Lehakonos hat das einmal vermutet“, gab der Rabe zu, „aber er hat mir nie eine Gelegenheit gegeben, das zu überprüfen.“

„Dann lass uns das ändern.“ Rafyndor fasste einen Entschluss. „Folge mir.“

Die beiden machten sich auf zu einer nahegelegenen Bimara-Buche.

„Setz dich auf einen Ast und lass deine Flügel den Zweig berühren“, wies Rafyndor ihn an. „Stell dir vor, du wirst eins mit dem Ast, als wäre er ein Teil von dir. Spüre den Lebenssaft, der durch seine Wurzeln fließt. Und wenn du bereit bist, sprich das Wort ‚Padum‘.“

Skukius schloss die Augen, seine Federkrone wirkte plötzlich still und wachsam. Tief in sich spürte er den Pulsschlag des Baumes, als wäre er ein Teil seines Wesens.

„Padum“, sprach er mit fester Stimme.



Bei der magischen Ernte leuchtete Skukius’ Federkrone hell auf.

Ein Prasseln erfüllte die Luft, und als der Rabe die Augen öffnete, sah er, wie sämtliche Bucheckern des Baumes herabregneten und sich zu einem makellosen Haufen sammelten.

„Unglaublich“, hauchte Rafyndor, seine Augen voller Staunen weit aufgerissen. „Warum hat dich niemand bisher für den Schutz des Zentrums der Hellen Magie eingesetzt? Deine Federkrone leuchtet, als würdest du den ganzen Wald erhellen, und dann das! Alle Früchte − einfach so!“

„Meinst du, das funktioniert auch bei den anderen Bäumen?“, fragte Skukius, den riesigen Haufen Bucheckern stolz betrachtend.

„Mit dieser Gabe? Ohne Zweifel!“, antwortete Rafyndor mit einem Lächeln, das von Erleichterung durchzogen war. „Ich glaube, wir werden mit deiner Hilfe die Zeit sogar überholen.“

Von Baum zu Baum flog der Korvum-Rabe, und überall, wo er das magische Wort sprach, regneten die Früchte herab, während Rafyndor unermüdlich an der Sicherung der Blattwichtel-Bäume arbeitete. Kurz vor Sonnenuntergang trafen Lililja und Pranicara ein, bereit, die beiden bei ihrer Aufgabe zu unterstützen.

„Was leuchtet hier immer wieder auf?“, fragte Pranicara verwundert.

Mit einem breiten Grinsen deutete Rafyndor auf Skukius. „Das ist unser Korvum-Rabe − beim magischen Ernten. Er ist voller Überraschungen.“

Die beiden Frauen beobachteten fasziniert, wie Skukius erneut seine Magie anwandte, und konnten kaum glauben, was sie sahen. Gemeinsam setzten die vier ihre Arbeit fort, bis die Nacht den Wald in Dunkelheit hüllte. Rafyndor spürte, wie sich eine Last von seinen Schultern löste. Dank ihrer vereinten Anstrengung war der Schutz des Waldes nicht nur rechtzeitig zu bewältigen − er würde schneller abgeschlossen sein, als er es je für möglich gehalten hätte.


Pranicara und Lililja überzeugten sich
von Skukius′ magischen Fähigkeiten.

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