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Wo mochte Rafyndor nur stecken? Seit drei Tagen hatte Lililja ihn jetzt schon nicht mehr gesehen. Sie machte sich ernsthaft Sorgen um ihn.

Sonst war er mit all seinen Anliegen stets zu ihr gekommen, und sie hatte auch immer ein offenes Ohr für ihn gehabt. Was hatte ihn nur bewogen, so sehr auf Distanz zu ihr zu gehen? Auch an diesem Abend war er nicht gekommen.

Sie vermisste die Zeit mit ihm. Als heute Abend die Sonne unterging, hatte sie sich dabei ertappt, wie sie automatisch zum Treffpunkt gelaufen war. Sie war so in Gedanken an Rafyndor vertieft gewesen, dass sie diesen Weg unwillkürlich gewählt hatte. Inzwischen wirkten sich ihre Sorgen um Rafyndor sogar auf ihre Arbeit aus. Sie konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren, wenn sie die Magie des Wassers und des Bodens prüfte.



Pureus hatte Lilija die Leviten gelesen, weil sie eine Lilochoda abgeknickt hatte.

Heute hatte ihr allen Ernstes Pureus, der Nymphurus, die Leviten lesen müssen. Sie hatte ganz in Gedanken, als sie die Magie des Wassers prüfen wollte, eine der Lilochoda-Pflanzen abgeknickt. Pureus hatte Recht, das durfte ihr nicht passieren.

Die Lilochoda waren magische Pflanzen, die den Wasserbewohnern, wie den männlichen Begleitern der Nymphen, den Nymphurus, Stärke und Vitalität gaben. Es war unverzeihlich von ihr, dass sie diese gedankenverloren abgeknickt hatte, und sie hatte sich vielmals bei Pureus deswegen entschuldigt.

Sie musste etwas unternehmen! Sie musste Rafyndor suchen! Sie musste mit ihm sprechen und erfahren, was ihn von ihr fern hielt!

Lililja überlegte kurz, ob sie es sich erlauben konnte, einen Tag einmal ihre Arbeit zu vernachlässigen und stattdessen sich um Rafyndor zu kümmern. Sie kam zu der Ansicht, dass sie ihre Aufgaben gerade ohnehin nicht sehr gewissenhaft durchführte und sie daher lieber ganz darauf verzichten sollte. Also beschloss sie, am nächsten Tag noch einmal zu Pranicara zu gehen, vielleicht hatte diese schon etwas herausgefunden, was ihr helfen konnte, um Rafyndor zu finden.

Als Lililja am nächsten Morgen zu Pranicaras Hütte kam, war die Seelenheilerin jedoch nicht da. Pranicara machte in dringenden Fällen auch schon einmal Hausbesuche, um Seelen zu heilen, das wusste die junge Elfe. Sollte sie hier auf die Waldgeistfrau warten?

Die Unruhe ließ sie vor der Hütte hin und herwandern. Nein, sie hatte nicht die Geduld, auf Pranicara zu warten. Sie musste etwas unternehmen, sonst wurde sie noch verrückt vor Sorge. Also machte sie sich auf den Weg weiter in den Wald hinein.

Ihre erste Station war Rafyndors Hütte.



Unruhig wanderte Lililja vor Pranicaras Hütte hin und her.

Insgeheim hatte sie gehofft, dass er inzwischen dorthin zurückgekehrt war. Aber diese Hoffnung zerschlug sich recht schnell, als sie die Hütte nach wie vor verlassen vorfand.

Wohin sollte sie sich wenden? Der Wald war groß und niemand kannte sich darin besser aus als Rafyndor! Wenn er versteckt bleiben wollte, hatte er sicherlich eine große Chance, dass ihn niemand fand. Aber sie musste etwas tun! Sie musste einfach wissen, wie es ihm ging!

In der Nähe von Rafyndors Hütte wohnte ein kleiner Blattwichtel, das wusste sie.

Blattwichtel waren äußerst scheue Wesen, die so viele Fressfeinde hatten, dass sie sich ständig ängstlich versteckten. Rafyndor hatte ihr diesen Blattwichtel einst vorgestellt und sie hatte sich ihm vorsichtig genähert, damit er zu ihr Vertrauen fassen konnte.

Mikon, so war der Name dieses Blattwichtels, hatte sich zunächst versteckt, war aber dann doch irgendwann zu ihr auf die ausgestreckte Hand gekrabbelt. Lililja hatte sich ihm höflich als die Hüterin der Natur von Vanavistaria vorgestellt und er hatte sie mit großen, bewundernden Augen angesehen. So viel Ehre war ihm wohl noch nie angetan worden, dass eine offizielle Hüterin sich ihm persönlich vorstellte.

Sie hatte ihn danach noch häufiger besucht und gefragt, ob alles in Ordnung sei, oder ob er irgendetwas bräuchte. Doch Mikon war stets mit allem zufrieden und schien sich immer geehrt zu fühlen, wenn sie ihn aufsuchte.

Vielleicht, so dachte Lililja, könnte Mikon ihr dieses Mal helfen.



Mikon, der Blattwichtel, fühlte sich immer sehr geehrt, wenn Lililja mit ihm sprach.

Daher trat sie an den Baum heran, auf dem Mikon lebte, und rief mit leiser Stimme seinen Namen. Zunächst tauchten nur die beiden langen Blattohren auf. Als er sie aber erkannte, wurde er zur Gänze sichtbar.

„Oh, Hüterin, Ihr seid es!“, fiepste er erfreut.

„Hallo Mikon, ich hoffe, dir geht es gut?“, fragte sie, um das Gespräch in Gang zu setzen. Mikon nickte heftig und schaute sie dabei die ganze Zeit bewundernd an.

„Brauchst du etwas?“, fragte Lililja.

Mikon schüttelte den Kopf und ließ sie nach wie vor nicht aus den Augen.

„Mikon“, sagte Lililja nun langsam, „vielleicht kannst du mir helfen. Würdest du es tun, wenn du es könntest?“

Mikon nickte erneut heftig. Seine langen Blattohren zitterten vor Aufregung.

„Weißt du, wo sich der Waldhüter zur Zeit aufhält?“, fragte sie ihn.

Mikon würde Rafyndor niemals mit seinem Namen ansprechen, genauso wenig, wie er Lililja jemals mit ihrem ansprechen würde. Er war der Ansicht, dass diese beiden bedeutenden Persönlichkeiten Vanavistarias weit über ihm stünden, und egal, wie sehr Rafyndor sich auch bemüht hatte, dem kleinen Blattwichtel zu erklären, dass er nichts besonderes war und auch nur seiner Arbeit nachging, er bekam diese Ansicht einfach nicht aus Mikon heraus.

Mikon dachte eine kurze Weile über die Frage nach und schüttelte dann bedauernd seinen Kopf. Seine langen Blattohren, die vorher noch vor Aufregung gezittert hatten, ließ er nun vor Enttäuschung hängen.

„Nein“, fiepste er traurig, „ich habe den Waldhüter auch seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Ist ihm etwas zugestoßen?“, setzte er sofort sehr besorgt hinterher und schaute zu Rafyndors Hütte hinüber.

„Ach nein“, versuchte Lililja ihn zu beruhigen. „Ich wollte ihm nur etwas mitteilen und hatte gehofft, ihn in seiner Hütte vorzufinden. Er wird schon wieder auftauchen. Trotzdem danke ich dir, Mikon, dass du dir die Zeit genommen hast, mir meine Frage zu beantworten.“



Mikon schaute zur verlassenen Hütte Rafyndors hinüber.

Sofort strafften sich Mikons Ohren wieder. Er fühlte sich schon wieder tief geehrt, dass die Hüterin der Natur ihm, dem kleinen Blattwichtel, dankte. Als Lililja fortging, schaute er ihr noch lange hinterher.

Diese Aktion war ja nicht gerade erfolgreich, dachte Lililja bedauernd und überlegte, wen sie als nächstes um Hilfe bitten könnte.

Als sie sich umsah, erkannte sie die Stelle, die vor einigen Wochen Gig, der Pilzgnom für sich in Anspruch genommen hatte. Vielleicht hatte sie Glück und Gig war noch hier.

Lililja hoffte, dass Gig, der Pilzgnom, ihr weiterhelfen könnte, aber dieser schien umgezogen zu sein.

Pilzgnome hatten die Angewohnheit, immer mal wieder umzuziehen und neue Ecken des Waldes für sich zu beanspruchen. Mit dem Umzug gaben sie ihren vorherigen Besitz auf, aus rein praktischen Gründen: Sie konnten ohnehin nicht kontrollieren, ob er von jemandem anderen besetzt wurde.

Vorsichtig ging Lililja in die Hocke und klopfte leicht mit den Knöcheln auf den Boden. Sollte Gig hier noch leben, würde er es als Anklopfen interpretieren. Sie wartete, aber leider erschien Gig nicht. Schade, dachte Lililja bedauernd, dann wird er wohl weitergezogen sein.

Sie hatte heute aber auch wahrlich kein Glück bei der Suche nach Rafyndor! Laut seufzend erhob sie sich wieder.

Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Sie schaute sich um. Da kam ein Igelreiter auf seinem Igel durch das Laub gefegt. Wenn sie sich richtig erinnerte, hieß dieser rote, kleine, dicke Igelreiter Moug.

Igelreiter hatten es immer eilig. Sie waren ständig auf der Jagd nach Nahrung, am liebsten erbeuteten sie Phala-Fliegen, die sie direkt mit dem Mund fingen und herunterschlangen. Wenn man mit einem Igelreiter reden wollte, musste man sich dem Tempo seines Igels anpassen. Igelreiter hielten niemals an, nur um auf − in ihren Augen − sinnlose Fragen zu antworten.

Lililja beschleunigte also ihren Schritt und passte sich der Geschwindigkeit des Igels an. Es war gar nicht so einfach, gleichzeitig die Umgebung im Auge zu behalten und in Höhe des Igels zu bleiben. Dennoch gab sie ihr bestes und fragte, während sie neben dem Igel herlief: „Hallo Moug, bist du auf deiner Jagd Rafyndor begegnet?“

Moug, der gerade eine Phala-Fliege in Augenschein nahm, brauchte eine Weile, bis er antwortete: „Weiß nicht, habe nicht drauf geachtet!“

Als er unter der Phala-Fliege war, sprang er wie von einer Feder hochgeschnellt hinauf und fing sie mit dem Mund. Geschickt landete er wieder auf seinem Igel, während er schluckte. Und schon hatte er die nächste Phala-Fliege entdeckt, der er hinterherjagte.



Auch Moug, der Igelreiter konnte Lililja nicht weiterhelfen.

Lililja gab auf. Was hatte Rafyndor ihr einmal gesagt? „Frag die Igelreiter nach Wissen, und du wirst hören, wie die Stille des Waldes spricht. Sie haben nur Interesse an Phala-Fliegen und sonst nichts.“ Wie recht er hatte!

Lililja blieb stehen, während Moug, der Igelreiter den Phala-Fliegen hinterherjagte. Es hatte keinen Sinn, Rafyndor im Wald zu suchen. Sie musste es sich eingestehen. Es war niemand da, der ihr bei der Suche hätte helfen können.

Warum nur konnte sie nicht auch mit den Tieren sprechen, so wie Rafyndor es konnte? Es wäre viel einfacher, wenn sie die Eichhörnchen oder Mäuse befragen könnte. Die lebten in so großen Gruppen und kamen so weit herum, dass das eine oder andere Tier bestimmt ein Gerücht aufgeschnappt hatte, wo Rafyndor sich aufhalten könnte! Aber leider war ihr diese Gabe nicht gegeben. Sie bewunderte Rafyndor für dieses Talent, jedoch half es ihr in dieser Situation jetzt einfach nicht weiter!

Lililja beschloss, noch einmal zu Pranicara zu gehen. Vielleicht hatte sie wenigstens dabei Glück und traf die Seelenheilerin dieses Mal an. Pranicara war tatsächlich in ihrer Hütte und bat Lililja auf eine Tasse Kemulitee herein.


Pranicara lud Lililja auf eine Tasse Kemulitee hinein, um sie zu beruhigen.

„Lililja“, sagte Pranicara besorgt, „du bist ja vollkommen durch den Wind! Du siehst aus, als hättest du den Tag im Wald verbracht!“

Lililja schaute an sich herunter. Überall auf ihrem Gewand waren grüne und braune Flecken und am Saum fanden sich noch einige welke Blattrückstände.

„Vermutlich habe ich im Haar auch noch einige Mitbringsel aus dem Wald, oder?“, fragte sie schief lächelnd. Pranicara nickte und lächelte ebenfalls.

„Ich mache mir solche Sorgen um Rafyndor“, gestand Lililja und wurde wieder ernst. „Es ist so untypisch für ihn, dass er sich so konsequent zurückzieht. Das hat er noch nie getan, seitdem ich ihn kenne. Wenn ich nur wüsste, was ihn umtreibt!“

Sorgenvoll schaute sie in ihre Tasse mit dem heißen Kemulitee. „Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich dieses Verhalten deuten soll!“

Seufzend schaute sie auf und sah, dass Pranicara sie aufmerksam beobachtete. Das machte sie nervös. Führte Pranicara gerade ungefragt eine Seelenheilungsmagie bei ihr durch?

Aber Pranicara lächelte schon wieder und beantwortete Lililjas stumme Frage: „Ich setze gerade keine heimliche Magie ein, falls du dich das fragen solltest. Höchstens offene durch den Kemulitee. Der hat eine beruhigende Wirkung und so wie du aussiehst, scheinst du ihn dringend zu benötigen. Ich wollte nur sehen, ob er bei dir anschlägt.“

Nun musste Lililja ebenfalls lächeln. Es tat gut, hier mit Pranicara zu sitzen und den Kemulitee zu genießen.



Sorgenvoll schaute Lililja in ihre Tasse mit dem heißen Kemulitee.

„Hast du schon etwas Neues erfahren?“, fragte Lililja direkt.

Pranicara schüttelte bedauernd den Kopf.

„Skukius sagte mir, dass Rafyndor ein wenig Zeit benötigt, sich über etwas klar zu werden“, grummelte sie. „Ich habe ihm durch Skukius ausrichten lassen, dass er sich damit beeilen soll. Wenn Rafyndor sich übermorgen immer noch stur stellt, dann werde ich ihn aufsuchen, wo immer er steckt, und werde ihm mal gehörig ins Gewissen reden. Manchmal benimmt er sich wirklich wie ein kleines, bockiges Kind!“

Während Pranicara breit grinste, dachte Lililja besorgt darüber nach, was Rafyndor so aus dem Gleichgewicht gebracht haben könnte, dass er selbst ihre Nähe nicht mehr ertrug.


Lililjas Sorge um Rafyndor nahm nicht ab.

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