zurück StartseiteDer Planet AgibaraniaWesen und OrteTitelseiteInhaltsverzeichnis3l) Die Hüterin des Lichts


Die Hüterin des Lichts

Die Zeit schritt voran, das Jahr nach Erfüllung der Aufgabe, die der Schleiersturm gebracht hatte, neigte sich unaufhaltsam seinem Ende entgegen. In Vanavistaria breitete sich eine spürbare, angespannte Erwartung aus. Der Hauchzauberdunst − würde er kommen? Hatte man die Botschaft des Schleiersturms richtig verstanden, die Aufgabe korrekt erfüllt? Oder war irgendwo ein entscheidendes Detail übersehen worden, das sein Erscheinen verhindern würde?

Je näher der ersehnte Tag rückte, desto stärker schwoll die Nervosität unter den Bewohnern an. Unnötige Streitigkeiten entflammten, die Seelenheiler − allen voran Pranicara − sahen sich mit einer Welle von Angstzuständen und innerer Unruhe konfrontiert, und eine allgemeine Hektik griff um sich wie ein unsichtbares Feuer, das die Gemeinschaft langsam verzehrte.

Fünf Tage vor Ablauf des Jahres berichtete Lililja Mojalian von der aufgeladenen Stimmung, die das Zentrum der Hellen Magie fest im Griff hatte. Sie sprach von der Rastlosigkeit, die selbst sie nicht mehr ignorieren konnte, und davon, wie schwer es wurde, der Anspannung zu entkommen. Im Stillen hatte sie damit gerechnet, dass Mojalian auflachen und die Materiellen für ihre übertriebene Besorgnis tadeln würde. Doch seine Reaktion überraschte sie. Statt heiterer Leichtigkeit wirkte er ungewohnt zurückhaltend.

Was ist los, Mojalian? Ihre Gedanken berührten ihn mit zarter Besorgnis.



Lililja berichtete Mojalian von der aufgeregten Stimmung, die im Zentrum der Hellen Magie herrschte.

Nichts Konkretes, antwortete Mojalian ausweichend, und seine Gedanken trugen einen Hauch von Unsicherheit mit sich. Unser Weisenmeister für Vanavistaria ist sich nicht ganz sicher. Er meint, die Signalwellen, die er von eurer Welt empfängt, seien ungewöhnlich. Aber er kann sie noch nicht vollständig entschlüsseln.



Mojalian erzählte von unklaren Signalwellen, die der Weisenmeister auf Valivisia von Vanavistaria erhielt.

Lililjas Unruhe wuchs. Was bedeutet das?

Es könnte ein Hinweis auf einen Schub dunkler Magie auf eurer Welt sein, gab Mojalian zögerlich zu. Allerdings ist das nicht sicher. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Signalwellen von einer anderen Welt, auf der derzeit ein Unda Palata wütet, sich in eure Signatur eingemischt haben. Der Weisenmeister versucht noch herauszufinden, welche Ursache hinter der Störung steckt.

Sollte ich mir Sorgen machen? Ihre Gedanken suchten nach Halt in seiner Antwort.

Noch nicht, Liebes, beruhigte Mojalian sie sanft. Ich halte eure Welt im Auge und erkundige mich regelmäßig nach dem Fortschritt. Um ehrlich zu sein, treibe ich unseren Weisenmeister mit meinen ständigen Nachfragen bereits in den Wahnsinn.

Ein leises Lächeln durchzog Lililjas Gedanken. Euer Weisenmeister ist eben kein Seelen-Drasta wie du − jemand mit deiner Geduld und deinem Einfühlungsvermögen.

Trotz seiner Worte der Beschwichtigung ließ Lililja die Beunruhigung nicht los. Mojalians Zurückhaltung und seine Bereitschaft, ihre Fragen ernst zu nehmen, bestärkten ihren Verdacht, dass er selbst die Situation mit Sorge betrachtete. Sie begann, wachsam zu sein und die Magieströme zu beobachten, um Anzeichen für dunkle Magie zu erspüren. Doch der Fluss der Hellen Magie blieb ruhig, unverändert, ohne den kleinsten Hinweis auf eine Störung.

Lililja wusste, dass dieser Zustand nicht unbedingt beruhigend war. Die Magieströme zeigten nur dann Veränderungen, wenn ein Magier des Lichts sich der dunklen Magie bediente. Eine Bedrohung von außerhalb des hellen magischen Kreises würde hingegen keine solchen Spuren hinterlassen. Kurzzeitig überlegte sie, Skukius, den Korvum-Raben, um Rat zu fragen. Schließlich war er einer der wenigen, die Erfahrungen mit dunkler Magie hatten. Doch sie erinnerte sich an seine eindringliche Bitte, ihn niemals nach seiner Vergangenheit zu befragen, und verwarf den Gedanken schweren Herzens.

Die Besorgnis ließ Lililja keine Ruhe. Abends, wenn sie sich in ihr Bett legte, und morgens, kaum dass sie die Augen geöffnet hatte, suchte sie das Gespräch mit Mojalian. Immer wieder fragte sie ihn nach Neuigkeiten, immer wieder lauschte sie seinen Antworten, die bereitwillig kamen. Mojalian wies sie nicht darauf hin, dass ihre Sorge unbegründet sei − ein Umstand, der sie darin bestärkte, dass auch er sich innerlich beunruhigt fühlte.

Zwei Tage vor Ablauf der Frist, die den Hauchzauberdunst bringen sollte, suchte Mojalian Lililja während ihrer Nachmittagsrunde in Gedanken auf.



Im Bett erkundigte sich Lililja nun immer, ob der Weisenmeister für Vanavistaria schon etwas Neues zu berichten hätte.

Lililja, begann er sanft, doch in seiner Stimme schwang ein ungewohnter Ernst mit. Ich möchte dich bitten, dich unverzüglich zum Sonnenstrahlenteich zu begeben. Es ist von größter Wichtigkeit, dass du dich auf die ‚Seele der Sonne‘ stellst. Du musst jetzt dort sein.

Lililja spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Es war etwas geschehen. Muss ich mir jetzt doch Sorgen machen, Mojalian?, fragte sie leise, doch die Besorgnis in ihren Gedanken war nicht zu überhören.

Einen Augenblick schien Mojalian zu zögern, als wäge er seine Worte sorgfältig ab. Schließlich antwortete er mit sanfter Bestimmtheit: Ja, Lililja. Aber ich werde dir alles erklären, sobald du dich auf der ‚Seele der Sonne‘ befindest.

Ohne Zögern machte sie sich auf den Weg, bemüht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ihr Herz schlug schneller, während sie eilig zu dem machtvollen Magiefeld schritt. Sie betrat die ‚Seele der Sonne‘, jenen magischen Ort, der für Rituale von zentraler Bedeutung war, und sandte ihren Gedanken aus: Ich bin da.

Gut, antwortete Mojalian, und seine Stimme klang nun seltsam erleichtert. Doch wieder zögerte er, ehe er weitersprach.

Was ist los?, drängte Lililja, die das Schweigen nicht ertrug.

Schließlich fragte er behutsam: Liebes, kannst du dich noch erinnern, wie ich dich damals, nach meiner Befreiung aus dem Schleiersturm, begrüßt habe?



Als Lililja sich an der „Seele der Sonne“ befand, eklärte Mojalian ihr, dass sie die Hüterin des Lichtes sei.

Lililja dachte nach. Es dauerte einen Moment, dann erinnerte sie sich.

Ja, sagte sie schließlich. Du hast so etwas gesagt wie: ‚Lililja, ich begrüße dich, Hüterin des Lichts.‘ Und ich habe dich korrigiert, weil ich die Hüterin der Natur und der Magie bin.

Mojalian schien zufrieden mit ihrer Antwort. Genau, stimmte er leise zu. Zunächst dachte ich, ich hätte mich geirrt. Doch als ich sah, wie du das Ritual der Sonne auf genau diesem Flecken ausführtest, auf dem du jetzt stehst, wusste ich: Ich hatte recht. Du bist die Hüterin des Lichts.

Lililja lächelte ein wenig, doch ihre Stimme blieb ruhig. Nein, Mojalian, da bist du immer noch im Irrtum. Es gibt keine Hüterin des Lichts in unserer Gemeinschaft. Ich bin die Hüterin der Natur und der Magie − nichts weiter.

Lililja, setzte Mojalian erneut an, dieses Mal mit besonderer Sanftheit, das Amt der Hüterin des Lichts wird nicht gewählt. Es wird bei der Geburt übertragen. Wenn ein Hüter des Lichts stirbt, geht sein Amt auf das nächste Kind über, das innerhalb der hellen magischen Gemeinschaft geboren wird. Tarodastrus hat den Hinweis auf dieses Amt aus all euren Geschichtsaufzeichnungen gelöscht, um es zu verschleiern. Hätte er das nicht getan, wüsstest du seit deiner Kindheit, dass du die Hüterin des Lichts bist.

Seine Worte lasteten schwer auf Lililja. Es war, als öffneten sich Türen zu einem Wissen, das sie nie vermisst hatte.

Doch bevor sie darauf antworten konnte, sprach Mojalian weiter: Jetzt möchte ich, dass du das Ritual der Sonne durchführst. Doch dieses Mal schließe deine Augen nicht, so wie du es sonst tust, um dich vor der Helligkeit zu schützen. Schau direkt in die Sonne. Du wirst erkennen, dass du die Hüterin des Lichts bist.

Lililja wich erschrocken zurück. Direkt in die Sonne blicken? Das klang wie ein Sakrileg gegen alles, was sie in ihrer Ausbildung gelernt hatte. Die Gefahr der Erblindung war ihr nur allzu deutlich gemacht worden.

Mojalian, fragte sie zögernd, die Unsicherheit deutlich spürbar, bist du sicher, dass ich das tun soll? Werde ich durch die Helligkeit nicht erblinden?

Ein sanftes Lächeln schien durch seine Stimme zu klingen, als er ihr erklärte: Nein, Lililja. Andere Wesen, die deinem Beispiel folgen würden, würden tatsächlich erblinden. Aber du bist die Hüterin des Lichts. Die Strahlen der Sonne werden dir nichts anhaben können. Vertraue mir.



Mojalian forderte Lililja auf, bei dem Sonnenritual direkt in die Sonne hineinzuschauen.

Lililja war von Unsicherheit erfüllt, doch ihr Vertrauen in Mojalian war grenzenlos. Sie wusste, dass er ihr niemals Schaden zufügen würde. Mit einem tiefen Atemzug fasste sie Mut und begann, das Ritual durchzuführen, so wie sie es unzählige Male zuvor getan hatte.

Sie kniete sich neben den Stamm der ehrwürdigen Jada-Eiche und legte beide Hände flach auf den warmen Erdboden. Ihre Gedanken richteten sich auf die magischen Strömungen, die sie sanft und beständig unter ihren Händen pulsieren spürte. Ein wohliges Summen erfüllte sie, als sie die Energie des Landes in sich aufnahm. Dann erhob sie sich langsam, trat in das Zentrum des Magiefeldes und hob ihr Gesicht sowie ihre offenen Hände empor gen Himmel.

Doch dieses Mal tat sie etwas, das sie nie zuvor gewagt hatte: Sie schloss die Augen nicht. Stattdessen richtete sie ihren Blick direkt in die gleißende Sonne.



Als Lililja in die Sonne schaute, erkannte sie das Wesen des Lichtes, die pulsierenden Farben und den Ursprung der Magie.

Zunächst spürte sie nur die Wärme der Strahlen, wie sie sanft durch ihre Augen in sie eindrangen, sie von innen heraus erfüllten und erhellten. Doch dann öffnete sich eine neue Ebene der Wahrnehmung. Sie sah durch die Sonne hindurch − hinein in das Wesen des Lichtes selbst. Vor ihren inneren Augen entfalteten sich pulsierende Farben von unbeschreiblicher Schönheit, sie erkannte die verbindende Macht des Lichts, das alle Lebewesen Vanavistarias und darüber hinaus miteinander verband. Die vier Elemente − Feuer, Wasser, Erde und Luft − verschmolzen in diesem Licht zu einer harmonischen Einheit. Und aus den Tiefen der Sonne strömte die Magie hervor, der Ursprung allen Seins, die wie ein unsichtbarer Atem ihre Welt durchdrang.

Lililja ließ sich ganz in diesen Augenblick hineinfallen, verschmolz mit dem Licht, spürte, wie sie selbst zu einer strahlenden Quelle wurde. Das Leuchten erfüllte sie vollständig, durchdrang jede Faser ihres Wesens, bis es Teil ihrer selbst geworden war.

Schließlich, langsam und mit Bedacht, senkte sie die Arme und schloss die Augen. Sie wusste es jetzt: Mojalian hatte recht. Sie war die Hüterin des Lichts. Doch ein Schwarm an Fragen durchzog ihren Geist. Warum erfuhr sie das erst jetzt? Was bedeutete diese Erkenntnis für sie und ihre Welt?

Als sie ihre Augen wieder öffnete, stellte sie erstaunt fest, dass sich ihre Sicht nicht verändert hatte. Alles um sie herum erschien klar und unverändert − als wäre nichts geschehen.

Lililja, drang Mojalians sanfte Stimme in ihren Geist, geht es dir gut?

Ja, erwiderte sie leise, ihre Gedanken noch gefangen in der überwältigenden Erkenntnis. Aber… was hat sich ereignet, dass du mir das jetzt mitteilst?

Unser Weisenmeister, begann Mojalian vorsichtig, hat endlich den Grund für die ungewöhnlichen Signale eurer Welt herausgefunden. Der Hauchzauberdunst ist auf dem Weg zu euch − ein magischer Nebel voller positiver, reinigender Magie. Doch gleichzeitig dringt eine wachsende Dunkelheit in Vanavistaria ein. Dunkle Magie breitet sich aus und bedroht euer Land. Es sind diese beiden gegensätzlichen Kräfte − Licht und Dunkelheit − die jetzt aufeinanderprallen und die Signale verzerrten. Aber diese Erkenntnis bedeutet auch, dass du deine Rolle als Hüterin des Lichts annehmen musst. Du bist dazu bestimmt, dein Land zu führen.



Mojalian erklärte, dass auf Valivisia zwei Extreme zukamen: ein Nebel voller heller Magie und gleichzeitig eine dunkle Bedrohung.

Lililja erstarrte. Sie? Die junge Elfe? Eine Führungsrolle übernehmen? Der Gedanke war so überwältigend, dass er sie beinahe lähmte. Ihre Gedanken eilten zu Jadoruc, dem stolzen Vykati, der sich niemals dazu herablassen würde, ihre Autorität anzuerkennen.

Was genau erwartest du jetzt von mir?, platzte es panisch aus ihr heraus. Ich habe doch überhaupt keine Ahnung, was ich tun soll!

Liebes, sprach Mojalian sanft und voller Zärtlichkeit, du bist nicht allein. Nanistra weiß, was zu tun ist. Sie ist eine Nachfahrin von Tarodastrus, der ebenfalls Hüter des Lichts war. Sie kennt die Wahrheit − ich habe es ihr vor meiner Abreise anvertraut, um herauszufinden, warum du nichts davon wusstest. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie dich immer mit einem besonderen Lächeln ansieht.

Er hielt einen Moment inne, um seine Worte sacken zu lassen.

Geh zu ihr, Lililja, fuhr er fort, und erzähle ihr, was ich dir gesagt habe. Sie wird an deiner Seite sein, und gemeinsam werdet ihr entscheiden, was als Nächstes zu tun ist.

Lililja stand noch immer unter dem Eindruck der erschütternden Neuigkeiten, die sie gerade von Mojalian erfahren hatte. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, ihre unterbrochene Nachmittagsrunde fortzusetzen, doch ihr Geist war viel zu aufgewühlt, um sich darauf zu konzentrieren. Stattdessen wandte sie sich direkt dem Anwesen von Meister Lehakonos zu.

Wie in Trance erreichte sie die altehrwürdige Villa und klopfte an die schwere Eingangstür. Nanistra, die betagte Hausmagd, öffnete, doch schwand das freundliche Lächeln der alten Frau sofort, als sie Lililjas blasses, angespannter Gesicht sah. „Kind, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Was ist geschehen?“, fragte sie mit spürbarer Sorge.



Nanistra führte Lililja in die große Küche des Anwesens.

Anstatt Lililja wie gewohnt zum Studierzimmer von Meister Lehakonos zu führen, legte Nanistra eine Hand auf ihre Schulter und führte sie in die große Küche des Anwesens. Dort schob sie einen massiven Holzstuhl an den Tisch, deutete mit einer ruhigen, aber bestimmten Geste darauf und setzte einen Kessel Wasser auf den Herd. „Setz dich. Ich mache dir einen Tee, und dann reden wir“, erklärte sie mit einer Mischung aus Fürsorge und Nachdruck.

Lililja ließ sich stumm nieder. Ihre Gedanken schwirrten noch zu sehr, um die Umgebung wahrzunehmen, die sie zum ersten Mal betrat.

Erst nach einigen Momenten, als der Dampf aus dem Kessel aufstieg und die vertrauten Kräuteraromen den Raum erfüllten, klärte sich ihr Blick ein wenig. Schließlich flüsterte sie fast tonlos, als würde das allein alles erklären: „Ich habe in die Sonne geschaut.“

Nanistra hielt in ihrer Bewegung inne, musterte Lililja aufmerksam und nickte dann, als hätte sie die Antwort bereits erwartet. „Und du hast erkannt, dass du die Hüterin des Lichts bist“, fügte sie ruhig hinzu.

Lililja nickte langsam, immer noch wie in Trance. „Ja“, brachte sie kaum hörbar hervor und schwieg dann wieder, während Nanistra den Tee vorbereitete.

Als die Tasse fertig war, stellte die alte Hausmagd sie mit einem leisen Klirren vor Lililja auf den Tisch. Ihre Stimme war sanft, aber energisch, als sie sagte: „Trink.“

Folgsam hob Lililja die dampfende Tasse an ihre Lippen und nahm vorsichtig einen großen Schluck. Die Wärme breitete sich in ihr aus, beruhigte ihre aufgewühlten Gedanken und brachte endlich eine gewisse Klarheit zurück.

Nanistra ließ ihr einen Augenblick, dann fragte sie: „Warum hast du in die Sonne geschaut?“

Lililja legte die Hände um die Tasse und blickte in die flackernden Reflexe der Flüssigkeit. „Mojalian hat mir gesagt, dass ich die Hüterin des Lichts bin“, antwortete sie schließlich mit leiser Stimme.



Nanistra stellte eine Tasse frischen Tee vor Lililja und forderte sie auf, zu trinken.

Die Hausmagd zog die Augenbrauen hoch. „Und wann hat er dir das offenbart?“

„Vorhin“, erwiderte Lililja, zögernd. Der fragende Ausdruck auf Nanistras Gesicht veranlasste sie, weiter auszuführen. „Wir haben seit einigen Monaten Gedankenkontakt. Mojalian glaubt, dass sich ein unsichtbares Band zwischen uns gespannt hat, als er in Vanavistaria war. Es ist geprägt von der Sehnsucht, die wir füreinander empfinden.“

Nanistra hielt inne, ihre Augen flackerten kurz, als hätte sie eine plötzliche Eingebung. Doch sie schwieg über ihre Gedanken. Stattdessen fragte sie mit ruhigem Ton: „Und warum hat er dir das ausgerechnet heute mitgeteilt?“

„Er sagte“, begann Lililja, während ihre Stimme vor Unruhe zitterte, „dass der Hauchzauberdunst auf dem Weg zu uns sei. Doch gleichzeitig breitet sich in Vanavistaria dunkle Magie aus, stärker als je zuvor. Er meinte, die Zeit der Extreme sei angebrochen, und ich müsse jetzt die Führungsrolle übernehmen.“ Sie sah Nanistra mit weit aufgerissenen Augen an, die Panik in ihrer Stimme war unverkennbar. „Aber ich weiß doch überhaupt nicht, was ich tun soll!“

Nanistra legte eine Hand auf Lililjas, die immer noch um die Teetasse geklammert war. Ihre Stimme war beruhigend, fast wie ein Wiegenlied. „Kind, bleib ruhig. Wir werden gemeinsam einen Weg finden. Als erstes werden wir den Hohenmagier aufsuchen − er muss von meiner Vergangenheit und deiner Zukunft erfahren.“



Nanistra war bereit, ihr Geheimnis zu lüften.

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