zurück StartseiteDer Planet AgibaraniaWesen und OrteTitelseiteInhaltsverzeichnis3o) Es geht los!


Es geht los!

Als Lililja schließlich nach Hause zurückkehrte und sich in ihr Bett legte, überrollten sie die Eindrücke des Tages wie eine entfesselte Welle. Sie konnte die Kontrolle nicht länger halten, und ein heftiges Schluchzen schüttelte ihren Körper. In diesem Moment drang Mojalians sanfte Stimme durch die Dimensionen in ihre Gedanken: Liebes, ich bin geistig bei dir.

Danach ließ er sie still gewähren, spürte, dass die Überforderung, die Lililja seit dem Nachmittag mühsam unterdrückt hatte, nun endlich einen Weg nach draußen gefunden hatte − ein Ventil, das nicht länger verschlossen bleiben konnte.

Irgendwann begann ihr Weinen abzuebben, das Schluchzen wurde leiser. Mojalian, dessen Geist während der gesamten Zeit wie eine behutsame Präsenz für sie offengeblieben war, fragte zärtlich: Geht es dir jetzt ein wenig besser, Liebes?

Lililja konnte nur nicken. Ihre Gedanken schienen wie gelähmt, unfähig, sich zu ordnen. Sie war noch nicht bereit, den Blick auf das zu richten, was in den kommenden Tagen auf sie zukommen würde.

Versuche jetzt zu schlafen, Liebes, sagte Mojalian mit sanfter Behutsamkeit. Wenn du mich brauchst, bin ich da.

Wieder nickte Lililja lediglich und schloss die Augen, bemüht, seinem Rat zu folgen.

Die Erschöpfung, die der Tag und der Weinkrampf ihr abverlangt hatten, ließ sie tatsächlich schnell in einen unruhigen Schlaf sinken. Doch mitten in der Nacht schreckte sie aus einem Albtraum hoch. Die Details des Traumes entglitten ihr augenblicklich, doch eines blieb − die schreckliche Erinnerung an Rafyndor, tot zu ihren Füßen, niedergestreckt von einem dunklen Fluch.



Mojalian versuchte, Lililja zum Schlafen zu überreden.

„Mojalian“, flüsterte sie mit zittriger Stimme in die Dunkelheit.

Ich bin da, Liebes, kam unverzüglich seine sanfte, beruhigende Antwort. Es war nur ein Albtraum. Versuche weiterzuschlafen.

Lililja schenkte seinen Worten Gehör und schloss die Augen erneut. Dieses Mal fiel sie in einen ruhigeren Schlaf, und erst die hellen Strahlen der weit oben am Himmel stehenden Sonne weckten sie schließlich aus ihren Träumen. Sie war entsetzt − sie hatte verschlafen!

Mojalian!, schimpfte sie in Gedanken. Warum hast du mich nicht geweckt? Du tust das doch sonst immer, wenn du merkst, dass ich zu lange schlafe.



Lililja schimpfte mit Mojalian, dass er sie nicht geweckt hatte.

Guten Morgen, mein Liebling, entgegnete Mojalian sanft. Ich dachte, heute könntest du ein wenig mehr Schlaf vertragen. Wie du sehen wirst, hat die Sonne ihren Weg bis an den Himmel auch ohne deine Hilfe gefunden.

Mit einem Mal durchzuckte sie die Erinnerung an den gestrigen Tag, und ihr wurde klar, wie recht Mojalian hatte. Ja, ein wenig mehr Schlaf hatte ihr zweifellos gutgetan. Doch die Bedrohung, die nun über Vanavistaria schwebte, ließ sie keine Ruhe finden. Würde sie sich angesichts dessen noch ausreichend auf ihre Aufgaben konzentrieren können?

Habt ihr inzwischen mehr Informationen über die dunkle Bedrohung?, fragte sie, nachdem sie Mojalian ein liebevolles Guten Morgen gewünscht hatte.

Mojalian schüttelte gedanklich den Kopf. Nein, bisher nicht, antwortete er mit leiser Sorge in seiner Stimme. Es wirkt fast so, als würde der dunkle Magier auf ein bestimmtes Ereignis warten.

Auf die Ankunft des Unda Palata?, fragte Lililja ängstlich.

Mojalian lächelte beruhigend in ihren Geist hinein. Nein, das denke ich nicht, Liebes. Es sieht eher danach aus, als halte er sich noch bedeckt, als wolle er erst später seine wahre Macht demonstrieren. Wir werden abwarten müssen, auch wenn Geduld in einer Situation wie dieser eine schwere Bürde ist.

Solange keine unmittelbare Spur der dunklen Bedrohung auszumachen war, schien es wenig sinnvoll, bereits eine Gegenstrategie zu entwerfen − darin hatte Meister Lehakonos zweifellos recht, sinnierte Lililja. So entschloss sie sich, trotz der verspäteten Stunde, ihre Morgenrituale zu beginnen. Zwar war der Sonnenaufgang längst vorüber, doch die anderen Elemente der Zeremonie ließen sich auch jetzt noch durchführen.

Rasch machte sie sich auf den Weg zur Sonnenwiese. Dort kniete sie am Bach nieder und tauchte die Hand ins Wasser, um den Magiefluss zu spüren. Wie an den vergangenen Tagen zeigte sich dieser unberührt und harmonisch − eine trügerische Ruhe, die von den sanften Bewegungen des Wassers begleitet wurde. Doch irgendetwas schien anders zu sein. Es war eine subtile Veränderung, die sich erst nach einigen Augenblicken ihrem Blick offenbarte.

Die Lilochoda, jene magischen Wasserpflanzen, die üblicherweise in sanften Pastelltönen leuchteten und von heller Magie erfüllt waren, wirkten stumpf und gedämpft. Das Licht, das sonst von ihnen ausging, war erloschen.

Ein schweres Gefühl legte sich auf ihr Herz. Die dunkle Magie hatte begonnen, Vanavistaria zu durchdringen.

„Die Lilochoda haben ihre helle Magie verloren“, flüsterte Lililja kaum hörbar in die Stille.



Lililja bemerkte, dass die Lilochoda ihre helle Magie verloren hatten.

Der dunkle Magier kommt aus der Deckung, kam Mojalians Stimme wie ein drängender Gedanke in ihrem Geist. Er entfaltet seine dunklen Kräfte. Er wird versuchen, eure Lebensenergie zu untergraben und euch die Zuversicht zu rauben. Ich fürchte, er plant, den Hauchzauberdunst zu manipulieren.

Lililja ließ ihre Morgenrunde augenblicklich fallen. Ohne zu zögern eilte sie zum Anwesen von Meister Lehakonos. Mit klopfendem Herzen hämmerte sie an die Tür. Nanistra öffnete, ihre Augen schmal vor Sorge, und fragte nur knapp: „Zum Hohenmagier?“

Lililja nickte, und Nanistra führte sie so rasch es ihr möglich war den Korridor entlang. Vor der großen Holztür angekommen, klopfte sie an, öffnete und sagte schlicht: „Es ist soweit.“

Meister Lehakonos, der hinter seinem Schreibtisch saß, sprang auf. Er winkte beide herein, schloss die Tür hinter ihnen und deutete auf die Stühle am großen Tisch. Kaum hatten sie Platz genommen, hefteten sich seine fragenden Augen auf Lililja.



Lililja berichtete Meister Lehakonos und Nanistra von dem Farbverlust der Lilochoda.

„Die Lilochoda haben ihre helle Magie verloren“, begann Lililja mit tiefer Besorgnis in ihrer Stimme. Dann schilderte sie Mojalians düstere Befürchtungen. „Er vermutet“, sagte sie tonlos, „dass der dunkle Magier den Hauchzauberdunst manipulieren will.“

„Das ist furchtbar!“, hauchte Meister Lehakonos, während eine Spur von Entsetzen seine Miene überschattete. „Hat Mojalian vielleicht eine Vorstellung davon, wo sich der dunkle Magier aufhält?“

Lililja sandte die Frage in Gedanken an Mojalian, doch dieser verneinte. Sie schüttelte den Kopf.

„In diesem Fall“, sagte der Hohenmagier entschlossen, „bleibt uns keine Wahl. Wir müssen die Zaubergemeinschaft einberufen und sie über die drohende Gefahr informieren. Doch wie sollen wir ihnen die Tragweite der Bedrohung vermitteln, ohne den Kontakt zu Valvisia preiszugeben?“

Lililja räusperte sich leise, bevor sie antwortete: „Meister Lehakonos, ich habe Rafyndor gegenüber erwähnt, dass Ihr die dunkle Bedrohung in einer der alten Prophezeiung gefunden habt. Wäre dies nicht ein gangbarer Weg?“

Nachdenklich strich sich der alte Lehrmeister über den Bart. „Das könnte funktionieren“, gab er zu, „doch niemand darf verlangen, dass ich die Prophezeiung offenlege. Ihr kennt Jadoruc − er ist misstrauisch und wird alles hinterfragen, wenn er den leisesten Zweifel hegt.“

„Ich werde sagen, dass es eine der geheimen Prophezeiungen Tarodastrus′ ist“, erklärte Nanistra mit fester Stimme, „die nur die Hüterin des Lichtes und der Hohenmagier einsehen dürfen.“

Meister Lehakonos blickte sie erstaunt an. „Du möchtest mit zur Zaubergemeinschaft gehen?“

„Ja“, antwortete Nanistra bestimmt. „Ich bin Teil dieser Gemeinschaft, auch wenn man mich nur als die mürrische Alte im Anwesen des Hohenmagiers kennt. Es ist an der Zeit, meine wahre Identität offen zu zeigen.“



Nanistra war bereit, der Zaubergemeinschaft ihre wahre Identität zu offenbaren.

Verblüfft wechselten Meister Lehakonos und Lililja Blicke. Schließlich trat der alte Lehrmeister zum Fenster, öffnete es und rief: „Maheravo, Skukius!“

Als Skukius eintraf, erteilte Meister Lehakonos ihm ohne Umschweife den Auftrag, die Zaubergemeinschaft zusammenzurufen.

Kurz darauf brachen die drei auf. Da Nanistra seit Jahren gemächlichen Schrittes durch die Flure geschlurft war, hatten Lililja und der alte Lehrmeister sich bereits darauf eingestellt, sie auf ihrem Weg zu unterstützen. Umso erstaunter waren sie, als sich dies als unnötig erwies. Leichten und geschmeidigen Fußes eilte Nanistra voran, als hätte sie ihre mürrische und gebeugte Gestalt wie eine abgelegte Hülle hinter sich gelassen.



Nanistra lief so leichten Fußes vor dem Hohenmagier her, dass er etwas Schwierigkeiten hatte, mit ihr Schritt zu halten.

Meister Lehakonos war sichtlich irritiert. „Liebe Nanistra“, begann er, während er Mühe hatte, mit ihrem Tempo mitzuhalten, „ich wage zu behaupten, dass du mir weitaus mehr verschwiegen hast, als lediglich deine Abstammung von Tarodastrus und dein umfassendes Wissen um die Geschichte Vanavistarias im Zeitalter der leuchtenden Sterne.“

Nanistra warf ihm ein nachsichtiges Lächeln zu, das mehr sagte, als Worte es vermocht hätten.

Als sie schließlich an der Kristallhöhle ankamen, blieb Nanistra stehen und wandte sich an Meister Lehakonos. Ihre Stimme klang nun fest und klar, ganz anders als der zittrige Klang, den er von ihr gewohnt war.

„Hohenmagier“, sprach sie mit einer Autorität, die ihrer neuen Haltung entsprach, „da eure frühere Vorgängerin, Hohenmagierin Hara, einst dieses Schild an der Kristallhöhle anbringen ließ, muss ich euch um Erlaubnis bitten, die dort hinterlegten Informationen um einige wesentliche Ergänzungen zu erweitern.“

Meister Lehakonos runzelte die Stirn, sichtlich verwirrt, und nickte schließlich. „Wie willst du das bewerkstelligen?“, fragte er, doch Nanistra antwortete nicht. Stattdessen legte sie ihre Hand sachte auf den funkelnden Kristall.

Vor den Augen des Hohenmagiers und Lililjas begann der Text auf dem Schild sich zu bewegen. Die Buchstaben glitten zur Seite wie Blätter im Wind, und dazwischen formierten sich neue Worte, bis der Text sich erweitert hatte. Als Nanistra schließlich die Hand zurückzog, offenbarte sich eine Botschaft, die bislang in der Geschichte Vanavistarias unerzählt geblieben war:

Im Herzen des Waldes liegt die glitzernde Kristallhöhle. Dieser heilige Ort wurde von Tarodastrus, dem Sternenseher und Hüter des Lichtes, entdeckt, als die magischen Völker von Vanavistaria ihre Kräfte vereinten, um gegen die Dunkelheit zu bestehen. Gemeinsam mit Resogurion, dem mächtigen Beschützer, bezwang Tarodastrus den dunklen Magier und ebnete den Weg für Harmonie und Eintracht. In dieser Höhle, so rein und klar wie ein ungetrübtes Herz, wurden die Bande zwischen den Zauberwesen gefestigt, und die Magie erstrahlte in ihrer vollen Pracht. Heute versammeln wir uns hier, um diese Tradition zu ehren und Vanavistaria vor drohenden Gefahren zu schützen.

Meister Lehakonos starrte den neuen Text mit offenem Mund an, ehe er sich an Nanistra wandte. „Nanistra“, sagte er schließlich, noch immer von der Kraft des Erlebten überwältigt, „warum hast du nie offenbart, wer du wirklich bist?“

Mit ruhigem Stolz richtete Nanistra sich auf. „Ich bin eine Vykati, eine Nachfahrin von Tarodastrus“, erklärte sie. „Unser Erbe verlangt von uns, zu dienen − nicht zu glänzen.“



Nanistra wollte dienen, nicht glänzen.

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