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Demojon und Pranicara liefen eng umschlungen den Weg zu Pranicaras Hütte.
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Demojon begleitete Pranicara mit einem Glücksgefühl, das ihm beinahe den Atem raubte, durch den lichtdurchfluteten Wald zu ihrer Hütte.
„Weißt du“, begann er schließlich, seine Stimme von ungewohnter Zurückhaltung geprägt, „ich wollte dich schon seit Langem kennenlernen. Doch ich wusste nicht, ob du und der Waldhüter… nun ja… ob ihr ein Paar seid. Als du mir gestern sagtest, er sei dein Cousin, war ich insgeheim überglücklich.“
Pranicara warf ihm einen neugierigen Blick zu. „Warum wolltest du mich unbedingt kennenlernen?“
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Er zögerte einen Moment, als suche er nach den richtigen Worten. „Du wirkst so selbstsicher, so unerschütterlich“, gestand er schließlich mit leiser Bewunderung. „Niemand scheint dir vorschreiben zu können, was du zu tun oder zu lassen hast. Und nichts bringt dich so leicht aus der Fassung.“
Pranicara verharrte kurz in Gedanken, dann zuckte sie leicht mit den Schultern.
„Weißt du“, erwiderte sie nachdenklich, „vielleicht macht es nur den Anschein. Auch ich fühle mich in neuen Situationen oft unsicher. Doch ich lasse nicht zu, dass dieses Gefühl mich lähmt. Ich stelle mich ihm − und handle, noch bevor die Angst mich zurückhalten kann.“
Demojon seufzte tief. „Das wünschte ich mir auch“, sagte er niedergeschlagen. „Aber wenn ich unsicher werde, benehme ich mich wie ein Zaubertroll. Und das macht es nur noch schlimmer.“
Pranicara sah überrascht zu ihm auf.
„Ich hatte heute nicht den Eindruck, dass du dich wie ein Zaubertroll benommen hast“, entgegnete sie mit ehrlicher Verwunderung. „Und das, obwohl du durchaus Momente der Unsicherheit hattest.“
Demojon zuckte mit den Schultern und wandte den Blick verlegen ab.
„Das liegt an dir, Pranicara“, gestand er schließlich und schenkte ihr ein schüchternes Lächeln. „Du hast mir gestern nicht das Gefühl gegeben, dass dich meine Art abschreckt − und auch heute nicht. Nicht viele würden so gelassen bleiben, wenn ein Fremder sie spontan umarmt oder ihnen vor anderen einen Kuss ins Haar drückt.“
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Pranicara musterte ihn aufmerksam. „Du hast also andere Erfahrungen gemacht“, stellte sie sachlich fest.
Er ließ ein leises, bitteres Lachen hören. „Wie du vorhin bereits erkannt hast − ich bin ein Vykati, aber ich verhalte mich nicht wie einer. Das höre ich, seit ich denken kann. Ich bin zu impulsiv, ich kann meine Gefühle nicht immer verbergen, und genau das… das gehört sich für einen Vykati nicht.“ Seine Stimme wurde leiser, als hätte er Angst, die Worte laut auszusprechen. Dann hob er den Blick und sah sie direkt an. „Deshalb dachte ich zuerst, du wolltest es mir vorhalten, als du mich fragtest, ob ich ein Vykati bin.“
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Demojon hatte aufgrund seiner Impulsivität schon viel Abweisung erfahren.
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Pranicara blieb abrupt stehen. Mit einem entsetzten Ausdruck drehte sie sich zu ihm um.
„Nein!“, rief sie, ihre Augen spiegelten ihre Erschütterung wider. „Es war niemals als Vorwurf gemeint! Ich war nur überrascht, weil du so ganz anders bist, als ich es von einem Vykati erwartet hätte. Meine Frage entsprang allein meiner eigenen Unsicherheit − niemals hätte ich dich verletzen wollen!“
Demojon sah sie lange an, dann nickte er langsam.
„Ja…“ sagte er leise. „Das habe ich dann ja auch verstanden.“
Seine blauen Augen, die so oft vor Fröhlichkeit leuchteten, wirkten nun unentschlossen, als läge ein Kampf zwischen Hoffnung und Angst in ihnen.
Pranicara spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sanft legte sie ihre Hand an seine Wange, hob sich auf die Zehenspitzen und ließ ihre Lippen sacht auf seine sinken.
Demojon zögerte keine Sekunde. Seine Arme schlangen sich um ihre Taille, er zog sie an sich und vertiefte den Kuss mit einer Innigkeit, die ihm jede Unsicherheit nahm.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, leuchtete sein Gesicht vor Glück.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich du mich gerade machst“, flüsterte er, ehe er sich erneut zu ihr neigte und ihre Lippen ein weiteres Mal suchte.
Eng umschlungen setzten sie ihren Weg fort, Pranicara schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, während der schwarze, unheilvolle Nebel vor ihren Schritten dank des Lichtsegens floh, den Lililja noch an der Kristallhöhle über sie gesprochen hatte.
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Pranicara war erleichtert darüber, dass keine Schlangen an Patienten mehr vor ihrer Hütte standen.
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Endlich erreichten sie die Hütte. Kein einziges Wesen hatte sich an diesem Tag eingefunden, um die Hilfe der Seelenheilerin zu ersuchen. Der dichte, schwarze Nebel, der wie eine lebendige Bedrohung durch das Land kroch, hielt alle davon ab, sich unnötig ins Freie zu wagen.
Pranicara seufzte leise, spürte eine unerwartete Erleichterung in sich aufsteigen.
Demojon musterte sie irritiert. „Freut es dich etwa, dass du mich gleich wieder los bist?“, fragte er zögernd, ein Anflug von Unsicherheit in seiner Stimme.
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Pranicara lachte leise. „Nein, du ewiger Schattenschreck“, erwiderte sie und küsste ihn spielerisch auf die Lippen. „Ich bin lediglich froh, dass sich die endlose Schlange an Hilfesuchenden, die hier noch vor der Ausbreitung des dunklen Nebels wartete, endlich aufgelöst hat. Du kannst dir kaum vorstellen, was für eine Flut an Arbeit über mich hereingebrochen ist, seit Mojalian nicht mehr hier ist!“
„Du warst also sehr gefragt?“, erkundigte er sich neugierig.
„Mojalians Erbe eben“, entgegnete sie mit einem Schulterzucken.
Er runzelte die Stirn. „Was genau meinst du damit?“
In diesem Moment wurde Pranicara bewusst, dass nur wenige um die außergewöhnliche Gabe Mojalians wussten. Doch was einst ein wohlgehütetes Geheimnis gewesen war, schien ihr nun nicht mehr der Verschwiegenheit wert.
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„Mojalian besaß die Fähigkeit“, erklärte sie schließlich, „mit jedem einzelnen Wesen in Vanavistaria gleichzeitig in Gedanken zu kommunizieren, während er sich dennoch ganz auf das Gespräch mit seinem Gegenüber konzentrieren konnte. So konnte jeder, der einen Kummer hatte, sofort mit ihm in Verbindung treten. Diese Gabe ermöglichte es ihm, zahllose Seelen zu erreichen − doch mir fehlt sie. Deshalb standen Tag für Tag unzählige Hilfesuchende vor meiner Tür.“
Demojon blinzelte ungläubig. „Er sprach mit allen Wesen Vanavistarias gleichzeitig?“
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Pranicara verriet Demojon, dass Mojalian die Fähigkeit hatte, mit allen Wesen Vanavistarias gleichzeitig zu kommunizieren.
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Pranicara schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Nein, das tat er nicht − aber er hätte es gekonnt. Er kommunizierte nur mit jenen, die sich bewusst an ihn wandten.“
Demojon sah sie nachdenklich an. „Und woher weißt du das?“
„Er hat es uns gleich an seinem ersten Abend hier anvertraut − Lililja, Rafyndor, Meister Lehakonos und mir. Wir hielten es damals für klüger, dieses Wissen nicht allzu sehr zu verbreiten. Allerdings muss ich eine kleine Einschränkung machen: Seine Fähigkeit beschränkte sich auf magiebegabte Wesen. Mit Skukius konnte er sich nicht verständigen.“
Demojon zögerte kurz, dann fragte er mit einer kaum merklichen Spannung in der Stimme: „Hast du viel Zeit mit ihm verbracht?“
Pranicara lächelte nachsichtig. „Nun ja, er war ein Seelen-Drasta, ich eine Seelenheilerin − unsere Wege mussten sich zwangsläufig kreuzen.“ Sie bemerkte, wie Demojons Haltung sich veränderte, wie die Unsicherheit in seinen Augen wuchs. Lächelnd strich sie ihm über die Wange. „Aber nicht so, wie du es dir gerade ausmalst, du zweifelnder Schattenschreck! Es war eine rein berufliche Verbindung. Wir haben oft über unsere unterschiedlichen Herangehensweisen diskutiert. Ich habe von ihm gelernt − und er von mir.“
Die Anspannung in Demojons Gesicht wich spürbarer Erleichterung. Er senkte verlegen den Blick und murmelte: „Verzeih… Aber ich bin nun einmal nicht so selbstsicher wie du.“
Pranicara betrachtete ihn mit sanftem Lächeln. „Das stört mich nicht“, sagte sie ruhig und legte eine Hand an seine Wange. „Vielleicht kann ich dir ja helfen, etwas mehr Vertrauen in dich selbst zu finden − wenn du es zulässt.“
Sie küsste ihn sanft, und als sie sich an der Tür voneinander verabschiedeten, legte Demojon all seine Gefühle in einen letzten innigen Kuss, bevor er sich mit glückseligem Ausdruck auf den Weg zu seiner Arbeit machte.
Pranicara blickte ihm nach, ein nachdenkliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Auf was habe ich mich da nur eingelassen?, ging es ihr durch den Kopf. Was ist es, das mich so sehr an ihm fasziniert? Seine Andersartigkeit? Die Spontaneität, die ihn von allen Vykati unterscheidet, die ich bisher kennengelernt habe? Oder ist es seine kluge, aufmerksame Art – verbunden mit dieser tiefen Unsicherheit, die ihn so verletzlich macht?
Sie wusste es nicht. Noch nicht. Doch sie würde es herausfinden.
Mit einem leisen Seufzen wandte sie sich schließlich ab und trat in ihre Hütte, bereit, sich ihrer Arbeit zu widmen.
Als Lililja sich an diesem Abend auf den Weg zu Rafyndors Hütte machte, um ihn zu ihrem gemeinsamen Abendspaziergang abzuholen, kreisten ihre Gedanken noch immer um die Ereignisse des Tages. Sie hatte darauf bestanden, ihn direkt dort mit dem Lichtsegen zu stärken, damit er sich nicht erst mühsam durch den Nebel zum Treffpunkt kämpfen musste.
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Auf dem Weg zu Rafyndors Hütte dachte Lililja über den Tag und den verschlossenen Höhleneingang nach.
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Der versiegelte Höhleneingang, so hatten sowohl Mojalian als auch Jadoruc betont, offenbarte einmal mehr die perfide Taktik des dunklen Magiers: Er nährte Zwietracht, streute Misstrauen und suchte die Zaubergemeinschaft zu spalten, um seine Machtübernahme zu erleichtern. In diesem Licht betrachtet, war ihre Entscheidung, die Morgenglanzlichtung als neuen Versammlungsort zu wählen, eine kluge gewesen. Die Gemeinschaft konnte sich dort begegnen, ohne dass Misstrauen oder Unruhe die Zusammenkunft überschatteten. Und am Ende jeder Versammlung würde sie den Lichtsegen über die Anwesenden breiten, sodass sie wohlbehalten durch den Nebel zurückkehren konnten.
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Viel hatten sie an diesem Tag nicht beschließen können. Die Areale würden am folgenden Morgen fertiggestellt sein, hatte Sarala ihr versichert. Allerdings bedurfte die jüngste Aktion des dunklen Magiers noch eingehender Analyse.
Dennoch, dachte Lililja schmunzelnd, dürften die Zauberwesen die Versammlungen nun umso lieber besuchen − schließlich bot der Aufenthalt im Hauchzauberdunst ihnen eine willkommene Erleichterung, und der anschließende Lichtsegen würde ihnen für den Großteil des Tages Schutz gewähren.
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Ihre Gedanken wanderten weiter, und als sie an Pranicara und Demojon dachte, wurde ihr Lächeln sanft. Als sie die beiden gestern zur Zusammenarbeit aufgefordert hatte, war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass sie sich ineinander verlieben könnten − doch es erfüllte sie mit Freude, dass sie einander gefunden hatten. Irgendwie passten sie zusammen. Demojons offene, unkonventionelle Art brachte ihm unter seinesgleichen gewiss nicht nur Anerkennung. Pranicara jedoch würde dies auffangen, sie würde ihm den Halt geben, den er brauchte. Lililja wünschte ihnen von Herzen, dass ihr gemeinsamer Weg von Glück erfüllt sein möge.
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Lililja war der Ansicht, dass Demojon und Pranicara gut zusammen passten.
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Doch dann seufzte sie schwer. Pranicara hatte Demojon an ihrer Seite − Mojalian hingegen war unerreichbar fern.
Ein plötzlicher Stich der Erkenntnis durchfuhr sie. Mit einem Anflug von Schuldgefühl musste sie sich eingestehen, dass Mojalians Abwesenheit auch eine Erleichterung war. Wäre er noch hier, wäre Rafyndor völlig allein! Bislang hatte sie gewusst, dass er in Pranicara jemanden hatte, der ihm Halt gab. Doch nun war seine Cousine in neue Bande verstrickt, und Skukius, der ihn wenigstens in Zeiten der Verwirrung begleitet hatte, war ebenfalls fort.
Ach, wenn Rafyndor doch nur jemanden finden könnte, der ihn durchs Leben begleitete! Dann wäre eine ihrer größten Sorgen genommen. Doch stattdessen hatte er sich in den Kopf gesetzt, dass sie, Lililja, jene Person sein sollte − ein Wunsch, den sie einfach nicht erfüllen konnte.
Mojalian, verzeih mir, dachte sie mit schwerem Herzen, doch gerade bin ich einfach nur froh, dass du nicht hier bist.
Ich weiß, klang seine gedankliche Stimme mit einer bittersüßen Wehmut in ihr Bewusstsein, gegen Rafyndor habe selbst ich keine Chance.
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Als Lililja an Rafyndor dachte, war sie für einen Augenblick froh, dass sich Mojalian nicht in Vanavistaria aufhielt.
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