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Überall, wohin Skukius kam, hatte sich der dicke, schwarze Nebel ausgebreitet.
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Seit Tagen schon war Skukius auf der Flucht. Ziellos durchstreifte er das Land, seine Flügel trugen ihn rastlos über Wälder und Täler, doch überall, wohin er sich wandte, waberte der schwere, schwarze Nebel − untrügliches Zeichen dunkler Magie. Es gab kein Entkommen.
Nachts suchte er Zuflucht in Höhlen, doch die ersehnte Ruhe blieb ihm verwehrt. Seine Träume waren erfüllt von Schatten und Schrecken, von gesichtslosen Magiern, die ihn mit dunklen Flüchen jagten. Die Nächte wurden zum Albtraum, und wenn ihn der erste schwache Lichtschein des Morgens erreichte, floh er aus seinen Verstecken − gehetzt, gepeinigt, in panischer Hast.
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Doch draußen, unter dem offenen Himmel, fand er keinen Trost, denn auch dort lauerte die dunkle Magie, verfolgte ihn, umklammerte ihn mit unsichtbaren Klauen.
Er fühlte, wie seine Kräfte schwanden. Der Kampf gegen die ständige Bedrohung zerrte an ihm, doch aufgeben konnte er nicht. Irgendwo musste es einen Ort geben, der noch unberührt war, einen Ort, an dem die dunkle Magie nicht Fuß gefasst hatte. Es musste ihn geben.
Von dieser Hoffnung getrieben, flog Skukius von einer Höhle zur nächsten, doch stets musste er feststellen, dass kein Unterschlupf Schutz bot. Und dann − in einiger Entfernung erblickte er eine Höhle, verborgen zwischen zerklüfteten Felsen, schwer zugänglich und tief in den Schatten der Berge gehüllt. Vielleicht... vielleicht würde er hier endlich Ruhe finden.
Lautlos glitt er in das Dunkel hinein. Doch kaum hatte er den Eingang durchquert, erstarrte er. Eine Stimme − dumpf hallend in der Tiefe. Die Höhle war bewohnt! Hier konnte er nicht bleiben!
Hastig wandte er sich zum Ausgang und stieß sich ab, um wieder in die Lüfte zu steigen. Die kalte Bergluft empfing ihn, und für einen Moment spürte er Erleichterung, dass er die unheilvolle Höhle hinter sich gelassen hatte. Doch während er weiterflog, breitete sich ein seltsames Gefühl in ihm aus.
Erst als die zerklüfteten Felsen in der Ferne zurückblieben, traf es ihn mit voller Wucht − seine Flügel begannen schwer zu werden. Der Wind trug ihn nicht mehr wie zuvor, jeder Schlag fiel ihm schwerer. Ein plötzlicher Schwindel erfasste ihn, und er spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt. Mit letzter Kraft ließ er sich auf einem Felsen nieder, schwer atmend, erschöpft bis ins Mark.
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Und dann, inmitten dieser entsetzlichen Schwäche, dämmerte ihm etwas. Ein kalter Schauer rann ihm über den Rücken. Er kannte diese Stimme. Oh ja, er kannte sie nur zu gut! Wie oft hatte sie ihm gegolten, wie oft hatte sie ihm Schmerz und Qual gebracht! Ein Schatten aus der Vergangenheit, ein Name, den er am liebsten aus dem Strom der Zeit getilgt hätte.
Hadadust!
Ein Beben durchfuhr seinen Körper. Der dunkle Magier Hadadust − einer der grausamsten seiner Art, ein Meister der Folter und des Schreckens.
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Skukius hatte die Stimme wiedererkannt, die er in der Höhle gehört hatte.
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Wie ein Jäger, der Freude daran fand, sein Opfer langsam zu zerbrechen, hatte er einst mit ihm und seiner Familie gespielt. Es war Hadadusts Idee gewesen, sie in diesen gigantischen, unsichtbaren Käfig zu sperren − ein Gefängnis, dessen magische Grenzen für die Korvum-Raben nicht sichtbar waren. Immer und immer wieder waren sie gegen die unsichtbaren Stangen geprallt, während Hadadust ihr Leid mit höhnischem Gelächter quittierte. Und wenn sie zögerten, wenn sie ihre verletzten Flügel pflegten, schleuderte er einen weiteren Fluch, der sein Ziel nie verfehlte.
Jahrelang hatte Skukius diese Erinnerung aus seinem Bewusstsein verbannt, tief vergraben in den dunkelsten Winkeln seines Geistes. Er hatte sich geweigert, sie aufsteigen zu lassen, hatte sich eine neue Existenz aufgebaut, weit fort von der Vergangenheit. Erst der magische Unfall damals − als er aus Versehen in das Feld eines finsteren Schwurs geraten war − hatte ihn aus seinem Käfig befreit. Plötzlich hatte er hindurchfliegen können, hatte der unsichtbaren Begrenzung getrotzt und war in das Zentrum der Hellen Magie geflohen. Er hatte geglaubt, seine Qualen hinter sich gelassen zu haben.
Doch nun waren sie mit der Wucht eines Donnerschlags zurückgekehrt.
Hadadust!
Hadadust hatte sich in dieser Höhle eingenistet.
Langsam, wie durch einen zähen Nebel, sickerte die Erkenntnis in seinen Verstand. In dieser dunklen, abgeschiedenen Höhle hatte sich Hadadust niedergelassen. Aber warum? Was suchte er hier?
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Skukius wunderte sich, dass sich Hadadust in dieser Höhle befand, die nahe am Zentrum der Hellen Magie lag und nicht hoch im Gebirge.
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Skukius blinzelte irritiert. Dies war nicht das Gebirge, in dem der finstere Magierclan hauste. Er befand sich nicht einmal in dessen Nähe. Warum also hatte Hadadust sich ausgerechnet hier niedergelassen?
Ein jäher Schrecken durchfuhr den Korvum-Raben. War Hadadust womöglich jener dunkle Magier, der Vanavistaria mit seinen finsteren Kräften heimsuchte? Doch kaum war dieser Gedanke in ihm aufgeflammt, verwarf er ihn wieder. Nein, Hadadust war stets grausam und unerbittlich gewesen, aber eine solche Macht hatte er niemals besessen. Was also trieb ihn in diese abgeschiedene Höhle?
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Ein innerer Kampf entbrannte in Skukius: Auf der einen Seite stand die Stimme der Furcht, die Stimme jenes Wesens, das einst in einem magischen Käfig gefangen und grausam gequält worden war. Auf der anderen Seite regte sich eine andere Kraft, eine Kraft, die er in den Jahren seiner Zuflucht im Zentrum der hellen Magie entwickelt hatte − die Kraft des Wissensdursts, der Wunsch, zu verstehen. Er wollte die Wahrheit ergründen. Doch was würde geschehen, wenn er seinem einstigen Peiniger gegenübertrat? Würde er standhalten? Oder würde ihn die Angst lähmen und jede klare Gedankenregung ersticken?
Doch wenn Hadadust tatsächlich der dunkle Magier war, der seine Freunde bedrohte...
Ein warmes Gefühl durchströmte ihn, als seine Gedanken zu Rangalo und Rafyndor wanderten.
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Er wusste nicht, woher Hadadust eine solche Macht erlangt haben sollte. Aber sollte er wirklich die Quelle des Unheils sein, dann durfte Skukius nicht tatenlos zusehen. Er würde es nicht zulassen, dass dieser Tyrann seinen Freunden Leid zufügte. Nicht dieses Mal! Dieses Mal würde er nicht wehrlos sein wie damals in dem unsichtbaren Käfig. Nein − dieses Mal würde Skukius kämpfen!
Mit grimmiger Entschlossenheit richtete er sich auf. Seine Flügel − eben noch schwach und kraftlos − gehorchten ihm wieder. Ein entschlossener Gedanke nahm Form in seinem Geist:
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Als Skukius an Rafyndor und Rangalo dachte, breitete sie grimmige Entschlossenheit in ihm aus.
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Wenn du es wirklich bist, Hadadust, wenn du derjenige bist, den die Zaubergemeinschaft zu entlarven sucht, dann sei gewarnt − diesmal triffst du nicht auf einen verängstigten Skukius. Diesmal werde ich dir entgegentreten!
Lautlos glitt er erneut in die Dunkelheit der Höhle.
Dann hörte er Hadadusts Stimme − und für einen Moment wurde er zurückgerissen, fort aus der Gegenwart, hinein in die Schatten der Vergangenheit. Wieder hallten die höhnischen Flüche in seinen Ohren, wieder klang das grausame Gelächter seines Peinigers durch seinen Verstand.
Sein Körper fror ein.
Doch dann, im inneren Dunkel, erschien das Bild von Rafyndor. Er sah ihn vor sich, mit sanftem Blick, mit jener ruhigen Entschlossenheit, die ihn auszeichnete. Er hörte seine Worte, als er ihn einst gebeten hatte, seine magischen Kräfte beim Ernten der Bimara-Bucheckern einzusetzen.
Skukius blinzelte. Die lähmende Angst begann zu weichen.
Nein, Hadadust, dachte er, du wirst meinen Freunden nicht wehtun!
Trotz des Zitterns in seinen Gliedern zwang er sich, weiter vorzudringen. Im Schutz eines Felsvorsprungs verharrte er, wagte einen vorsichtigen Blick um die Ecke − und fuhr erschrocken zurück
Hadadust war nicht allein!
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Skukius erschrak, als er Hadadust von vielen dunklen Wesen umringt vorfand.
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Ein unheilvolles Heer dunkler Gestalten umringte ihn − zwanzig oder mehr.
Mit wachsendem Unbehagen riskierte Skukius einen weiteren Blick.
Hadadust murmelte eine Formel, unterbrach sich dann mit einem wütenden Ausruf und stieß schließlich genervt hervor: „Was muss diese Zauberformel auch so endlos lang sein! Dauernd verhaspele ich mich!“
Skukius beobachtete die dunklen Begleiter des Magiers. Sie rührten sich nicht, standen da wie erstarrte Schatten.
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Dann begann Hadadust erneut zu sprechen, seine Stimme floss durch die Höhle, schwer und unheilvoll:
„Durch die tiefste Hingabe an das Dunkle, die meine Seele umfängt und jegliches Licht verdrängt, erwecke ich dich, Schattenkrieger, aus dem Abgrund des Nichts. Mit finsterem Atem und dunklem Herz, bringe ich dich aus dem Nichts ins Sein. Willenloser Krieger, ohne eigenes Denken, kein eigenes Ziel, sondern nur das Instrument meiner finsteren Absichten. Du gehorchst meinen dunklen Befehlen, ohne zu zögern und ohne Widerstand. Du bist auf Zerstörung aus, in Dunkelheit geboren, von Grausamkeit durchtränkt. Die Lust an der Vernichtung treibt dich an. Helfer bei meiner Machtergreifung, Werkzeug meiner finsteren Herrschaft, erhebe dich aus dem Nichts und nimm Form und Gestalt an. Du bist mein Schattenkrieger, und mit deiner Hilfe werde ich die Welt in Dunkelheit hüllen und die Macht über alles erlangen.“
Ein Flackern in der Luft − und vor Hadadust materialisierte sich eine neue dunkle Gestalt.
Der Magier schwenkte seinen Stab, an dessen Spitze ein unheilvoller, grün leuchtender Kristall thronte. „Stell dich zu den anderen und gib den Platz frei für den nächsten“, befahl er mit selbstgefälliger Gleichgültigkeit.
Gehorsam trat die erschaffene Kreatur zu der reglosen Reihe der Schattenkrieger.
Erneut hob Hadadust die Stimme und begann, mit monotoner Beharrlichkeit die Beschwörungsformel zu rezitieren. Zwei weitere Schattenkrieger materialisierten sich in der glühenden Mitte der steinernen Platte, ehe der Magier tief seufzte und mit einem verärgerten Knurren ausrief: „Warum kann man nicht gleich eine ganze Armee erschaffen? Das zieht sich ja endlos hin!“
Mit einer beiläufigen Bewegung seines Zepters erteilte er seinen Schöpfungen den Befehl: „Stellt euch am Höhleneingang auf. Sollte jemand eintreten, warnt mich sofort.“
Gehorsam setzten sich die Schattenkrieger in Bewegung. Ihre schweren Schritte hallten durch die Höhle, als sie in strikter Formation marschierten.
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Skukius duckte sich instinktiv tiefer auf dem Felsvorsprung, als sie direkt unter ihm vorbeikamen. Sein Herz hämmerte, doch keiner der Krieger hielt inne, keiner warf auch nur einen Blick nach oben. Sie schritten stumm weiter, ohne Anzeichen dafür, dass sie seine Anwesenheit wahrgenommen hatten.
Hadadust hatte sich inzwischen mit einem missmutigen Stöhnen in einen alten Sessel sinken lassen, das Zepter achtlos auf einen wackeligen Holztisch vor sich gelegt. Seine Miene war von tiefer Unzufriedenheit gezeichnet, und sein Blick wanderte mit mürrischer Resignation zur Höhlendecke.
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Die Schattenkrieger liefen an Skukius vorbei, ohne ihn wahrzunehmen.
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Skukius betrachtete ihn eingehend − und war erstaunt. Das fahle Gesicht seines einstigen Peinigers wirkte ausgezehrt, totenblass, fast krankhaft entkräftet. Die dunklen Augen lagen tief in ihren Höhlen, umrahmt von den Schatten schlafloser Nächte, und der Mund verschwand unter einem zotteligen, dunkelgrauen Vollbart. Strähniges, braunes Haar quoll ungepflegt unter der tief in die Stirn gezogenen Kapuze hervor. Wäre es nicht die unverkennbare Stimme gewesen, hätte Skukius ihn womöglich nicht erkannt.
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Hadadust war im Besitz unzähliger Artefakte und eines grün leuchtenden Zepters.
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Seine Blicke glitten weiter durch die Höhle. Rings um Hadadust lagen Artefakte achtlos verstreut, Relikte voller unheilvoller Magie. Auch um seinen Hals hingen zahlreiche Amulette, deren Bedeutung sich Skukius nicht erschließen konnte. Doch das zentrale Artefakt, so vermutete er, war die kreisrunde Steinplatte auf dem Boden. Ihre Mitte glühte in bedrohlichem Rot, und die eingravierten Runen entlang des Randes pulsierten schwach, als würden sie auf eine neue Beschwörung warten.
Das ist es also, dachte Skukius. Hier liegt das Geheimnis seiner Macht − nicht in ihm selbst, sondern in der erdrückenden Fülle dieser Artefakte.
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Die Erkenntnis ließ seine Entschlossenheit wachsen. Es gab keinen Zweifel mehr: Hadadust war der dunkle Magier, der Vanavistaria bedrohte. Doch diesmal würde Skukius nicht tatenlos zusehen. Diesmal würde er handeln. Er musste Hadadust eines dieser Artefakte entreißen. Aber welches? Welches würde ihm den größten Schaden zufügen?
Hadadust erhob sich träge aus seinem Sessel, als sei er selbst von der eigenen Erschöpfung überrascht. Er griff erneut nach seinem Zepter, trat an den Rand der Steinplatte und setzte zu einer weiteren Beschwörung an. Doch kaum war die Hälfte der Formel gesprochen, da geriet er ins Stocken. Mit einem wütenden Fluch stampfte er auf den Boden, fletschte die Zähne und trat so heftig gegen den Tisch, dass dieser klappernd zur Seite kippte.
Unbeirrt begann er von Neuem. Dieses Mal gelang es ihm, die Formel ohne Fehler zu rezitieren, und aus der rot leuchtenden Glut formte sich ein weiterer Schattenkrieger. Hadadust schwenkte seinen Stab mit gelangweilter Geste. „Stell dich an die Wand.“
Gehorsam trat die Kreatur zurück.
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Ohne weitere Pause setzte Hadadust sein Werk fort. Ein Schattenkrieger nach dem anderen nahm Gestalt an, bis schließlich drei weitere gesichtslose Krieger in der Höhle standen. Dann ließ der Magier sich abermals in seinen Sessel fallen, doch diesmal legte er das Zepter nicht aus der Hand.
Ein boshaftes Funkeln trat in seine Augen. Ein gehässiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Er richtete sich auf, schwang das Zepter mit spielerischer Grausamkeit und sprach in einem süffisanten Ton: „Prügelt auf den zuletzt geschaffenen Schattenkrieger ein!“
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Ein Schattenkrieger nach dem anderen nahm Gestalt an.
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Ohne Zögern stürzten sich die drei vorherigen Beschwörungen auf den jüngsten unter ihnen. Die Schläge krachten nieder, doch der Gepeinigte rührte sich nicht, ungerührt ließ er die Attacken über sich ergehen.
Hadadust runzelte enttäuscht die Stirn und schnaubte: „Stopp. Hört auf. Stellt euch wieder an die Wand.“
Die Schattenkrieger gehorchten.
Mit einem übertrieben lauten Seufzen erhob Hadadust sich erneut, murmelte unzufrieden vor sich hin und setzte seine Beschwörungen fort. Fünf weitere Kreaturen entstanden aus der glühenden Essenz, reihten sich stillschweigend zu den anderen.
Und wieder ließ Hadadust sich in seinen Sessel fallen.
Diesmal richtete er den umgestürzten Tisch wieder auf und legte das Zepter mit einer trägen Geste darauf.
Langsam griff er in die Tiefen seines Mantels und zog ein großes, kunstvoll verziertes Amulett hervor. Mit grimmiger Miene murmelte er ein Zauberwort: „Manebatavo.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem gehässigen Lächeln, während er leise zischte: „Dann wollen wir doch einmal sehen, was diese verdammte Hüterin des Lichts nun wieder im Schilde führt. Unablässig durchkreuzt sie meine Pläne, dieses elende Miststück!“
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Hadadust beobachtete Lililja mithilfe des Amuletts und hatte das Zepter auf den Tisch vor sich abgelegt.
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Sein Blick haftete starr auf dem Amulett, das er mit beiden Händen auf Augenhöhe hielt. Seine Konzentration schien unerschütterlich, als würde er in die Tiefen einer unsichtbaren Sphäre eintauchen.
Skukius zögerte keinen Moment. Hätte er es gewagt, über das, was er im Begriff war zu tun, nachzudenken, hätte seine Angst ihm nur Fesseln angelegt. Stattdessen ließ er sich von seiner Entschlossenheit leiten, verließ lautlos sein Versteck und glitt mit der unhörbaren Eleganz seiner Art zum Tisch. In einer einzigen, fließenden Bewegung packte er das Zepter und wollte sich ebenso geräuschlos wieder aus dem Staub machen.
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Doch in dem Moment, als er das Zepter vom Tisch nahm, geriet dieser ins Wanken. Holz knirschte auf Stein, das Geräusch zerriss die Stille − und Hadadusts Aufmerksamkeit fuhr wie ein gespannter Pfeil auf ihn zu.
„Was…?!“, brüllte er, seine Stimme überschlug sich vor Wut. „Schnappt euch den Vogel, Schattenkrieger!“
Doch nichts geschah. Die finsteren Kreaturen blieben reglos stehen, als wären sie bloße Statuen. Da wurde Hadadust bewusst: Ohne sein Zepter gehorchten sie ihm nicht.
Ein bösartiges Knurren entwich seinen Lippen.
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Ohne zu zögern schleuderte er einen dunklen Fluch auf Skukius. Die unsichtbare Magie traf den Korvum-Raben mit schneidender Wucht − ein plötzlicher Ruck durchfuhr seinen Körper, und das Zepter entglitt ihm. Es prallte auf den steinernen Boden und zersprang mit einem trockenen, endgültigen Laut in mehrere Stücke.
„Du verfluchtes Vieh!“, schrie Hadadust. Seine Augen loderten vor Zorn, und mit einer wütenden Geste schleuderte er einen weiteren dunklen Zauber auf den Raben.
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Skukius spürte, wie er von dem dunklen Fluch getroffen wurde und ließ das Zepter fallen.
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Skukius spürte, wie der Zauber ihn traf − doch zu seiner Überraschung blieb der Schmerz aus. Stattdessen bemerkte er lediglich, dass sein Gefieder zerzaust wurde, als hätte ihn eine unbändige Böe erfasst.
Hadadusts Wut steigerte sich zur Raserei. Eine Salve dunkler Flüche prasselte auf Skukius nieder, doch die Wirkung blieb dieselbe: Seine Federn wurden zerfleddert, sein Flug leicht aus dem Gleichgewicht gebracht, doch mehr geschah nicht.
Dennoch wusste Skukius, dass er keine Sekunde länger zögern durfte. Hadadust mochte bald auf die Idee kommen, Steine oder andere Waffen auf ihn zu schleudern − und ob er solch einer physischen Attacke ebenso unversehrt entkommen würde, wagte er nicht zu hoffen.
Ohne sich noch einmal umzublicken, jagte er aus der Höhle hinaus. Der kalte Wind riss an seinem zerzausten Gefieder, doch er schlug mit aller Macht seine Schwingen, trieb sich vorwärts, immer weiter fort von diesem höllischen Ort.
Er musste zurück − zurück ins Zentrum der Hellen Magie! Seine Freunde mussten gewarnt werden! Rafyndor musste erfahren, was er herausgefunden hatte!
Inzwischen glich Hadadusts Zorn einem lodernden Inferno. Sein Schattenkrieger-Zepter − das Symbol seiner Herrschaft − war zerbrochen. Dieser nichtsnutzige Korvum-Rabe! Wie sollte er nun seine Krieger lenken? Mit zusammengebissenen Zähnen raffte er die Splitter an sich, trug sie zum Tisch und betrachtete sie mit scharfem Blick.
Der Kristall… unversehrt. Noch immer fest im zerborstenen Schaft verankert. Vielleicht ließ sich seine Macht doch noch nutzen.
Er umfasste den beschädigten Stab fester, hob ihn und sprach mit kalter Stimme: „Schlagt eurem Nachbarn die Faust ins Gesicht.“ Die Schattenkrieger gehorchten ohne Zögern. Ein kehliges Lachen entkam Hadadusts Lippen. Also funktionierte es noch! Wenigstens dieses Ärgernis war ihm erspart geblieben.
Doch der Rabe. Dieser elende, niederträchtige Rabe würde seine Strafe noch zu spüren bekommen. Es irritierte Hadadust allerdings, dass das Geschöpf seinen Flüchen entkommen war. Er war sich sicher, dass er ihn getroffen hatte, und doch war das Biest ungerührt weitergeflogen, als wäre nichts geschehen. Aber wie war das möglich? Konnte es sein…? Hatte er seine Kräfte verloren?
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Zu Testzwecken hieb Hadadust einem seiner Schattenkrieger mit einem dunklen Fluch ein Bein ab.
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Um keinen Zweifel zuzulassen, testete er seine Macht. Mit einer beiläufigen Geste schleuderte er einen dunklen Fluch auf einen der Schattenkrieger − und mit einem dumpfen Geräusch wurde dem Geschöpf das Bein abgetrennt. Ohne einen Laut zu verlieren, sackte es zu Boden.
Nein, seine Magie war ungebrochen. Sein Zorn keimte erneut auf. Warum also hatte der Rabe seinen Flüchen widerstanden?
Es hatte keinen Zweck mehr, darüber nachzudenken − der Vogel war bereits entschwunden. Hadadust wandte sich wieder seinen Plänen zu.
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Wenn er nur schneller seine Armee erschaffen könnte! Längst hätte er das Zentrum der Hellen Magie unterworfen, hätte diese verfluchten Lichtmagier in die Knie gezwungen − wenn nicht diese elendige Beschwörungsformel so quälend langsam wäre. Jeder Schattenkrieger musste einzeln erschaffen werden. Eine Armee in dieser Geschwindigkeit aufzustellen, würde Wochen dauern! Es war zum Verrücktwerden!
Wie viele Schattenwesen hatte er bereits heraufbeschworen? Dreißig? Vielleicht mehr?
Er rief die Wächter vom Höhleneingang zurück. Doch niemand erschien. Finstere Ungeduld verzog sein Gesicht. Warum gehorchten sie ihm nicht? Warum meldeten sie sich nicht, wenn Eindringlinge kamen?
Mit einem gereizten Schwung des Zepterendes befahl er abermals: „Schattenkrieger am Eingang, kehrt zurück!“
Stille.
Seine Wut begann erneut zu brodeln. Ohne weiteren Aufschub stürmte er zum Höhleneingang − und da standen sie, stumm, reglos, nach draußen blickend, ganz so, als hätten sie nie einen Befehl erhalten.
Mit einem scharfen Zischen schwang er das Zepterende und sprach: „Kehrt in die Höhle zurück!“
Diesmal gehorchten sie. Wie auf ein lautloses Kommando drehten sie sich um und marschierten mit mechanischer Präzision zurück.
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Warum nicht gleich so?, dachte Hadadust missmutig. Doch dann hielt er inne. Ein Verdacht dämmerte ihm.
„Halt!“, rief er. „Zurück an den Höhleneingang!“
Die Schattenkrieger folgten erneut. Hadadust entfernte sich einige Schritte, gab denselben Befehl, ließ sie sich bewegen − und befahl dann umgehend, sie sollten zurückkehren. Noch einmal trat er weiter zurück, wiederholte das Experiment, entfernte sich abermals und versuchte es erneut.
Dann geschah es.
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Die Schattenkrieger drehten sich gemeinsam um und marschierten zurück in die Höhle, als Hadadust ihnen den Befehl dazu gab.
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Als er diesmal den Befehl gab, in die Höhle zurückzukehren, regten sich die Schattenkrieger nicht.
Sein ganzer Körper versteifte sich. Sein Zorn kochte über.
Dieses verfluchte Mistvieh von einem Raben! Durch das Zersplittern des Zepters hatte er Hadadusts Kontrolle über seine Schöpfungen aus der Ferne zerschlagen. Wieder einmal war einer seiner Pläne zunichtegemacht worden! Wieder einmal lag alles, was er akribisch vorbereitet hatte, in Trümmern!
Ein infernalischer Schrei der Frustration hallte durch die Höhle.
Dabei hatte alles so perfekt ineinandergegriffen: Wochenlang hatte er auf das Eintreffen des Hauchzauberdunstes gewartet. Ravgor hatte ihm eine uralte Formel überlassen, mit der er den reinen, positiven Energiestrom in einen schweren, schwärzlichen Nebel wandeln konnte − einen Nebel, der die Seelen vergiftete, der Schwermut in die Herzen brachte, der Zweifel säte.
Nach einem ganzen Jahr des sehnsüchtigen Wartens auf den magischen Schub hätten die Einwohner Vanavistarias doch vor Enttäuschung zerbrechen müssen! Eine Revolte hätte ausbrechen sollen, Chaos hätte herrschen müssen! So hatte er es sich zumindest ausgemalt.
Doch Ravgor hatte ihn gewarnt. Schon früh hatte er ihn darauf hingewiesen, dass die Hüter des Lichts auf jeder Welt gerissene, gefährliche Wesen waren, die man nicht unterschätzen durfte.
Und dennoch − Hadadust hatte es getan.
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Statt in Panik zu verfallen, sorgte die Hüterin des Lichtes für Areale mit hellem Hauchzauberdunst.
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Diese Elfe, dieses schmächtige Wesen mit den viel zu großen Augen, hatte er für harmlos gehalten. Er hatte geglaubt, sie würde, wie all die anderen, in Angst verfallen, würde erstarren angesichts seiner dunklen List. Doch stattdessen hatte sie überall im Land Lichtzonen errichten lassen − geschützte Areale, in denen die Lichtgeister seine finstere Magie vertrieben. Die Bewohner Vanavistarias mochten den schwarzen Nebel verabscheuen, mochten seine düstere Präsenz mit Sorge betrachten, doch sie erkannten die Mühen der Hüterin des Lichts an. Sie nahmen dankbar an, was sie ihnen bot: einen Weg, trotz der Finsternis den Hauchzauberdunst zu empfangen.
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Damit war der erste Teil seines so meisterlich durchdachten Plans zunichte.
Ein neuer wütender Schrei durchbrach die drückende Stille der Höhle.
Doch Hadadust war nicht so töricht, gleich aufzugeben. Wenn er die Zaubergemeinschaft daran hindern konnte, sich zu versammeln, wenn er ihnen ihren Versammlungsort raubte, dann würde er ihre Macht schwächen! Ohne einen Treffpunkt, ohne die Möglichkeit, sich zu beraten, würden sie doch gewiss ins Chaos stürzen.
Aber nein!
Diese vermaledeite Elfe hatte einfach einen neuen Ort gefunden, hatte die Zaubergemeinschaft dorthin beordert und führte ihr Treiben ungerührt fort, als wäre nichts geschehen!
Wieder entrang sich Hadadusts Kehle ein aufgebrachter Schrei.
Und dann − dann war da dieser verfluchte Korvum-Rabe!
Mit unermüdlicher Akribie hatte Hadadust seine Schattenkrieger erschaffen, eine Armee, die Angst säen, die die Zaubergemeinschaft zerschmettern sollte, ohne dass er sich selbst aus der Dunkelheit bequemen musste. Und nun?
Ein einziger Rabe hatte alles zunichtegemacht!
Hadadusts Hände bebten. Es war zum Verzweifeln!
Und Ravgor… Ravgor erwartete Ergebnisse. Er hatte Hadadust mit Artefakten ausgestattet, mit mächtigen Amuletten, hatte ihm alles in die Hand gelegt, um Vanavistaria unter seine Herrschaft zu zwingen. Und was hatte er vorzuweisen?
Nichts!
Wenn er scheiterte, würde er büßen.
Bitterlich, furchtbar würde er büßen!
Ein weiterer wutschäumender Schrei erfüllte die Höhle. Die Schatten an den Wänden flackerten, als wäre selbst die Dunkelheit von Hadadusts Zorn eingeschüchtert.
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Hadadusts sämtliche finstere Pläne waren von der Hüterin des Lichtes und dem Korvum-Raben durchkreuzt worden.
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