zurück StartseiteDer Planet AgibaraniaWesen und OrteTitelseiteInhaltsverzeichnis4i) Die Versammlung


Die Versammlung

Von wilder Unruhe getrieben, war Skukius aus der Höhle entflohen und hatte zielstrebig das Zentrum der Hellen Magie angesteuert. Obwohl seine kräftezehrende, ziellose Flucht über Tage hinweg ihn bereits geschwächt hatte, setzte er all seine verbliebene Kraft ein, um so schnell wie möglich über den dichten Wald hinwegzugleiten.

Schließlich ließ er sich erschöpft auf einem Ast nieder − gerade dort, wo Rafyndor, noch immer vom Lichtsegen geschützt und unberührt vom schwarzen Nebel, mit ungebrochener Munterkeit Akharota-Nüsse einsammelte, die verstreut auf dem Waldboden lagen.

„Rafyndor…“

Ein ersticktes Krächzen, nicht mehr als ein Flüstern im Wind, doch es reichte. Rafyndor hob den Kopf, seine Augen weiteten sich vor Erkennen − und Freude leuchtete auf seinem Gesicht. Mit einem glücklichen Lächeln sprang er auf, die Arme bereits zum Empfang seines gefiederten Freundes ausgestreckt.



Skukius landete auf dem Ast einer Akharota-Esche, unter dem Rafynoder munter die Nüsse einsammelte.

„Halt!“, krächzte Skukius, bevor die Geste vollendet werden konnte.

Rafyndor erstarrte. Verwirrung glitt über seine Züge, verdrängte das Strahlen.

„Ich weiß, du möchtest mich begrüßen“, sagte Skukius mit rauer Stimme. „Aber die dunklen Flüche, die mich damals trafen, haben Narben hinterlassen, die noch immer brennen. Jede Berührung schmerzt.“

Mitfühlend musterte Rafyndor ihn, spürte die Schwere seiner Worte. Und doch − da war etwas anders. Skukius sprach offen über seine Vergangenheit, ohne Zögern, ohne Scheu. Eine neue Stärke schwang in seinen Worten mit.

Erneut trat ein Lächeln auf Rafyndors Gesicht, diesmal sanfter, ruhiger. „Es erfüllt mich mit unermesslicher Freude, dich wohlbehalten zurückzusehen.“ Doch dann verdunkelte sich sein Ausdruck. „Du siehst erschöpft aus. Ich werde dich zu Pranicara bringen − sie wird dir helfen, wieder zu Kräften zu kommen.“

„Nein.“ Skukius schüttelte müde den Kopf. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich muss umgehend zu Meister Lehakonos. Ich bringe wichtige Nachrichten über den dunklen Magier.“

„Dann müssen wir zu Lililja, nicht zu Meister Lehakonos.“

Rafyndor leerte kurzerhand den Korb mit den gesammelten Nüssen, füllte ihn mit weichem Laub und hielt ihn Skukius entgegen. „Kannst du selbst hineinklettern oder erlaubst du mir, dich hineinzusetzen?“

Dankbar, nicht weiterfliegen zu müssen, nickte Skukius schwach. „Setz mich hinein. Aber bitte vorsichtig.“



Rafyndor setzte Skukius vorsichtig in den Korb und trug ihn zu Lililjas Haus.

Rafyndor hob ihn behutsam in den Korb und sicherte ihn mit sorgsam drapierten Blättern. „Wo finden wir Lililja?“

„In ihrem Haus“, murmelte Skukius erschöpft.

Sie machten sich auf den Weg.

Nach einer Weile durchbrach Skukius die Stille. „Warum zu Lililja? Wäre Meister Lehakonos nicht der Richtige für solche Neuigkeiten?“

Rafyndor lächelte. „Lililja führt nun unser Land. Sie leitet die Zaubergemeinschaft.“

Skukius blinzelte überrascht. „Sie hat Meister Lehakonos abgesetzt?“

Ein amüsiertes Lachen entfuhr Rafyndor. „Nein, Skukius. Als Hüterin des Lichts obliegt es ihr, in Zeiten dunkler Bedrohung die Führung zu übernehmen.“

Skukius′ Gedanken schweiften zurück. Ja, er erinnerte sich − es war auf der letzten Versammlung erklärt worden. Damals hatte ihn Panik übermannt, hatte er kaum mehr als Wortfetzen aufgenommen. Und Rafyndor selbst… auch er war nicht gerade begeistert gewesen. Doch nun wirkte er versöhnt mit dieser Ordnung.

Endlich erreichten sie Lililjas Haus. Rafyndor klopfte an die hölzerne Tür, und als sie sich öffnete, erschien Lililja im Rahmen. Zunächst lag Irritation in ihrem Blick, doch diese wich rasch wachsender Besorgnis.

„Rafyndor!“, rief sie, während ihre Augen suchend sein Gesicht musterten. „Ist etwas geschehen?“

Ein krächzendes Flüstern erhob sich aus dem Korb in Rafyndors Hand. „Ich bringe Neuigkeiten über den dunklen Magier.“

Lililjas Gesicht erhellte sich. „Skukius!“ Freude ließ ihre Stimme vibrieren. „Du bist zurück!“

Doch kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, erfasste sie die Schwere dessen, was der Korvum-Rabe zuvor gesagt hatte.



Lililja freute sich darüber, dass Skukius zurückgekehrt war.

Ohne zu zögern, trat sie zur Seite und bat Rafyndor einzutreten. Sie setzten sich an den schlichten Holztisch, und Rafyndor stellte den Korb behutsam darauf ab.

Lililjas Blick fiel auf den gezeichneten Körper des Raben. Zerzauste Federn, matte Augen, ein Ausdruck tiefster Erschöpfung. „Brauchst du etwas zu essen oder zu trinken?“, fragte sie sanft.

„Nicht jetzt“, erwiderte Skukius und straffte sich, so gut es seine Kraft zuließ. „Hadadust, ein dunkler Magier aus jenem verfluchten Clan, der mich einst gequält hat, hat sich in einer Höhle unweit von hier verschanzt. Umgeben von mächtigen Artefakten, beschwört er eine Armee aus Schattenkriegern, ruft sie mit einer dunklen Zauberformel aus dem Nichts hervor. Sie sollen ihm den Weg zur Macht ebnen.“

Ein leises Hauchen entfloh Lililjas Lippen.



Skukius berichtete von seinen Erkenntnissen und dass Hadadust ein Amulett besaß, mit dem er Lililja beobachten konnte.

„Doch das ist nicht alles“, fuhr Skukius fort. „Er besitzt ein großes Amulett − eines, mit dem er dich beobachten kann, Lililja. Er scheint wenig von dir zu halten. Er sagte, du hättest seine Pläne immer wieder vereitelt.“

Lililja erstarrte. „Er kann mich beobachten?“

Skukius nickte ernst.

Panik blitzte in Lililjas Gedanken auf. Mojalian, rief sie in ihrem Inneren, kann ich mich davor schützen?

Die Antwort kam sanft und ruhig. Ja, Liebes, klang Mojalians Stimme in ihrem Geist. Doch dies hat Zeit. Konzentriere dich jetzt auf deine Gäste.

In ihren Gedanken sah sie ihn lächeln, dieses vertraute, warme Lächeln, das ihr stets Kraft gab. Sie musste sich beherrschen, nicht in diese Zärtlichkeit zu versinken, nicht hier und jetzt. Rafyndor würde es mit Sicherheit missverstehen.

Sie straffte sich und sprach mit fester Stimme: „Wir müssen umgehend die Zaubergemeinschaft informieren!“

Sie wandte sich an Skukius. „Fühlst du dich in der Lage, deine Beobachtungen vor der Gemeinschaft zu wiederholen?“

Der Rabe mühte sich stöhnend, aus dem Korb zu klettern, um sich sogleich auf den Botenflug vorzubereiten, doch Rafyndor legte ihm mit einem nachsichtigen Lächeln die Hand auf die Federn und drückte ihn sanft zurück.

„Bleib hier“, sagte er leise.

Verwirrt, doch dankbar, nickte Skukius.

Lililja sprach mit klarer Stimme: „Maheravo Zaubergemeinschaft!“

Skukius blinzelte. „Trefft ihr euch jetzt hier?“

Lililja lachte. „Nein. Wir gehen zur Morgenglanzlichtung.“

Der Rabe legte den Kopf schief. „Zur Morgenglanzlichtung?“ Seine Verwirrung wuchs. „Warum nicht zur Kristallhöhle?“

„Weil der dunkle Magier sie versiegelt hat“, erklärte Rafyndor ruhig.

Ein schwerer Seufzer entwich Skukius. „Ich hätte nicht gedacht“, murmelte er dann, „dass sich in den wenigen Tagen meiner Abwesenheit wirklich alles verändert hat.“

Rafyndor und Lililja lachten.

Auf dem Weg zur Morgenglanzlichtung vertieften sich Skukius und Rafyndor in angeregte Gespräche, sodass es Lililja unauffällig gelang, ihren Geist mit Mojalian zu verbinden.

Vorhin sagtest du, sandte sie ihren Gedanken mit einem sanften, zärtlichen Lächeln, dass ich mich der Beobachtung durch den dunklen Magier entziehen könne. Ließe sich dieser Schutz auch auf die gesamte Zaubergemeinschaft ausweiten? Es wäre äußerst unklug, wenn er unsere Pläne durchschauen könnte.



Während des Gangs zur Morgenglanzlichtung unterhielten sich Rafyndor und Skukius rege, sodass Lililja unauffällig mit Mojalian kommunizieren konnte.

Ja, Liebes, erklang Mojalians Stimme beruhigend in ihrem Geist. Bevor du die Versammlung eröffnest, wirst du eine Zauberformel sprechen, die ich dir zuflüstern werde. Für den dunklen Magier wird die Lichtung dann nichts weiter als ein blendendes, konturloses Leuchten sein. Kein Wort wird er vernehmen, kein Bild erfassen. Diesen Schutz musst du fortan bei jeder Zusammenkunft erneuern. Sobald die Versammlung endet, wird der Zauber vergehen. Um deine eigene Sicherheit kümmern wir uns, wenn du wieder zu Hause bist.

Erleichtert atmete Lililja innerlich auf. Danke, sandte sie ihm voller Zuneigung − und erneut schlich sich ein verliebtes Lächeln auf ihre Lippen.

Dieses Mal blieb es nicht unbemerkt. Rafyndor, der sie im Augenwinkel beobachtete, sah, wie sich ihre Züge sanft verklärten, ihr Blick sich in fernen Gedanken verlor. An wen mochte sie mit einem solch zärtlichen Ausdruck denken? Ein dumpfer Stich der Eifersucht grub sich in seine Brust, rostig und schmerzlich. Unwillkürlich verdüsterte sich seine Stimmung.

Lililja bemerkte es sofort. Rafyndors Antworten auf Skukius′ Fragen wurden einsilbig, seine Miene verschloss sich. Oh nein! Er musste ihr Lächeln gesehen haben − und war nun wieder in jenem inneren Strudel aus Eifersucht gefangen. Sie musste gegensteuern, bevor sich seine Gedanken weiter in diese Richtung verfingen.

Mit gespielter Leichtigkeit wandte sie sich an ihn: „Rafyndor, hast du Skukius eigentlich schon von Pranicara und Demojon erzählt? Ich musste gerade an die beiden denken.“ Ihr Blick ruhte warm auf ihm, ihr Lächeln strahlte.



Um Rafyndor eine Erklärung für ihr verliebtes Lächeln zu liefern, erwähnte Lililja die Beziehung zwischen Demojon und Pranicara.

Misstrauisch musterte Rafyndor sie, als versuche er, ihre wahren Beweggründe zu ergründen. Doch Lililja bemerkte, wie sich die Spannung in seinen Schultern etwas löste.

„Was ist mit Pranicara?“, fragte Skukius neugierig.

Rafyndor ließ sich schließlich auf das Gespräch ein und begann zu erzählen − von der unvermittelt auflodernden Leidenschaft zwischen Pranicara und dem jungen Vykati, von der unerwarteten Schnelligkeit, mit der ihre Verbindung entstanden war.

Während er sprach, beobachtete Lililja aufmerksam, wie sich seine düstere Stimmung nach und nach aufhellte. Wann immer sein Blick auf sie fiel, begegnete sie ihm mit einem sanften Lächeln, das seine Anspannung weiter zu vertreiben schien.

So erreichten sie schließlich die Morgenglanzlichtung − und Rafyndor war, wie sie mit Erleichterung feststellte, wieder bester Laune.

Demojons Herz schlug schneller, als ihn der Ruf zur Versammlung ein zweites Mal an diesem Tag erreichte. Doch war es nicht allein die Zusammenkunft, die ihn in freudige Aufregung versetzte − es war die Aussicht, Pranicara wiederzusehen. Jede Sekunde in ihrer Nähe war für ihn ein kostbares Geschenk, ein Stück Erfüllung nach einer Zeit sehnsüchtigen Wartens. Viel zu lange hatte er nur in Träumen bei ihr sein können, und nun war dieser Traum endlich Wirklichkeit geworden.

Als er sie am Morgen die Morgenglanzlichtung hatte betreten sehen, inmitten all der anderen, deren Schritte schwer und müde waren vom bedrückenden Nebel, hatte es ihn kaum auf seinem Platz gehalten. Am liebsten hätte er die wenigen verbliebenen Meter überbrückt, sie auf seine Arme gehoben und getragen, fernab von allem Trübsinn, der auf ihren Schultern lastete. Doch noch war ihre Liebe jung. Zu überstürztes Handeln könnte alles zerstören, was kaum erst begonnen hatte. Er kannte sich, wusste, wie seine impulsive Art ihm schon manches verbaut hatte. Doch diesmal durfte nichts schiefgehen. Nicht mit ihr. Nicht mit Pranicara − diesem wunderbaren, selbstbewussten Waldgeist, den er schon so lange liebte.



Demojon versuchte diese Beziehung vorsichtig anzugehen, damit sein impulsiver Charakter nicht wieder alles kaputt machte.

Also hatte er gewartet, hatte sie am Rand der Lichtung empfangen, sie sanft zu sich auf die Wiese gezogen. Er hatte gespürt, wie die Schwere von ihr abfiel, wie sie tief Atem holte, als könne sie endlich wieder frei sein, und wie sich dieses leuchtende Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete, das auch ihre smaragdgrünen Augen zum Strahlen brachte. Sie hatten sich mit einer zärtlichen Umarmung und einem flüchtigen Kuss begrüßt, hatten sich dann einen Platz nahe des Podiums gesucht, das erst am Vortag mit Saralas Erlaubnis errichtet worden war.



Demojon konnte während der Versammlung am Morgen nicht die Augen von Pranicara lassen.

Während Lililja sprach, konnte er den Blick kaum von Pranicara abwenden. Er hatte ihr sanft über den Rücken gestrichen, ihr Gesicht, ihre Gestalt in sich aufgesogen, immer wieder mit dem Gedanken, wie unfassbar glücklich er war. So sehr hatte ihn dieser Moment erfüllt, dass er erst durch einen sanften Stoß in die Rippen bemerkte, dass Lililja ihm eine Frage gestellt hatte. Pranicara hatte ihn dabei so liebevoll angelächelt, dass er wusste: Sie nahm es ihm nicht übel.

Und nun bot sich ihm ein weiterer Augenblick mit ihr, ein zweites Treffen an diesem Tag − mit der einen, die sein Herz zum Singen brachte.

Er eilte ihr von der Morgenglanzlichtung entgegen, seine Schritte noch immer behütet von dem morgendlichen Lichtsegen, der den drückenden Schleier des schwarzen Nebels von ihm fernhielt. Als sein Blick auf sie fiel, erhellte ein strahlendes Lächeln seine Züge, wie die aufgehende Sonne den ersten Tau des Tages vergoldet. Ohne zu zögern zog er sie in seine Arme, küsste sie voller Hingabe, als wolle er den Moment für immer in seiner Seele bewahren.

„Möchtest du mit mir noch ein wenig unter den Bäumen wandern, bevor wir zur Lichtung gehen?“ Seine Stimme war sanft, sein Blick warm. Er legte den Arm um ihre Schultern. „Wir haben noch Zeit. Manche Zauberwesen lassen sich immer ein wenig länger Zeit.“

Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. „Warum nicht?“

Sie schmiegte sich an ihn, legte ihren Arm um seine Hüfte, und gemeinsam verließen sie die vorgegebenen Pfade, tauchten ein in die Stille und Geborgenheit des Waldes. Demojon genoss ihre Nähe, ihre Berührung, das leise, unausgesprochene Verständnis zwischen ihnen − eine Verbundenheit, die selbst die Zeit nicht zu trüben vermochte.

Während sie unter den weit ausladenden Baumkronen dahinschritten, das welke Laub unter ihren Füßen ein leises Rascheln im Schatten des schwarzen Nebels verströmend, erhob er glücklich die Stimme: „Weißt du, was mir zuerst an dir aufgefallen ist, als du vor mehr als drei Jahren zum ersten Mal die Kristallhöhle betratst? Deine wundervolle, sanftgrüne Hautfarbe. Ich konnte meinen Blick kaum von dir lösen. Meine Freunde hatten ihre helle Freude daran, mich zu necken, weil ich mich nicht traute, dich anzusprechen.“

Pranicara hielt kurz inne und musterte ihn mit erstaunten Augen. „Du wolltest mich also schon vor mehr als drei Jahren kennenlernen?“



Demojon gestand, dass er Pranicara schon seit drei Jahren kennen lernen wollte.

Ein Hauch von Verlegenheit färbte seine Wangen. Zögernd nickte er.

Mild lächelnd schüttelte sie den Kopf, dann lehnte sie ihn sanft gegen seine Schulter. „Du bist wirklich ein kleiner Schattenschreck“, murmelte sie liebevoll und schmiegte sich enger an ihn, um ihm zu zeigen, dass sie seine Unsicherheit keineswegs störte.

Dankbar erwiderte er die Geste, hielt sie für einen Moment fest.



Demojon hatte damals, als er mit Lililja zusammenarbeitete, die Chance verpasst, sie über Pranicara auszufragen.

„Ich habe jede noch so kleine Information über dich regelrecht in mich aufgesogen, die in der Höhle fiel“, gestand er schließlich. „Doch nie hörte ich ein Wort darüber, in welcher Beziehung du zum Waldhüter standest. Als ich dann mit Lililja zusammenarbeiten durfte, versuchte ich fieberhaft, einen unverfänglichen Weg zu finden, um auf dich zu sprechen zu kommen. Ich hatte gesehen, dass ihr beide ein enges Verhältnis hattet, aber mir wollte einfach keine geschickte Möglichkeit einfallen, das Thema auf dich zu lenken. Und dann war die Gelegenheit vorüber – und mit ihr meine Chance.“

Pranicara sah ihn nachdenklich an, ein wissendes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich habe das Gefühl“, sagte sie sanft, „dass Lililja dir vorgestern einen gewaltigen Gefallen getan hat, als sie mich bat, mich mit dir abzusprechen.“

„Oh ja“, seufzte Demojon tief auf. „Du ahnst nicht, was für einen Sprung mein Herz in diesem Moment machte. Ich konnte nur hoffen, dass dir die Blicke meiner Freunde nicht auffielen − sie wussten natürlich längst, dass ich schon seit Jahren nur Augen für dich hatte. Aber du schienst ihnen keine große Beachtung zu schenken. Deshalb habe ich auch auf einen schnellen Aufbruch gedrängt − bevor einer von ihnen mich noch verraten konnte.“

Pranicara konnte sich eines leichten Gefühls der Schmeichelei nicht erwehren. Es war ein merkwürdiger Gedanke, dass dieser so außergewöhnlich gut aussehende Vykati seit Jahren nur ihr sein Interesse geschenkt hatte − und sie hatte es nie bemerkt. Wie war das möglich?

Als sie ihn darauf ansprach, lachte er leise und schüttelte den Kopf.

„Das habe ich mich auch oft gefragt“, gestand er mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. „Ich bin aber zu dem Schluss gekommen, dass du viel zu selbstbewusst bist, um die verliebten Blicke eines Vykati zu bemerken, der unter akutem Mangel an Selbstvertrauen leidet − und sich obendrein nicht einmal wie einer verhält.“ Er grinste verschmitzt.

Pranicara lachte herzlich, drehte sich zu ihm um und sah ihm direkt in die Augen. In ihrem Blick lag etwas Sanftes, das tief in sein Innerstes drang.

„Ich muss zugeben“, sagte sie schließlich mit leiser Stimme, „dass ich über Lililjas Idee, uns zusammenarbeiten zu lassen, ebenfalls sehr glücklich bin.“

Dann zog sie ihn sanft zu sich und küsste ihn.

Gemächlich setzten sie ihren Weg fort, genossen die Nähe des anderen und ließen sich von der sanften Atmosphäre des Waldes einhüllen.

Plötzlich blieb Demojon abrupt stehen. „Wow!“, entfuhr es ihm voller Erstaunen.

Pranicara fuhr erschrocken zusammen. „Was ist denn?“

„Siehst du die Felsen dort drüben?“, fragte er aufgeregt und deutete auf eine von Sonnenlicht durchbrochene Stelle, die sich kontrastreich vom düsteren Nebel abhob. Die grauen Steine, die dort lagen, waren von feinen, weißen Adern durchzogen, und auffällig war, dass der schwarze Nebel sie mied, als ob eine unsichtbare Kraft ihn auf Abstand hielt.

Pranicara folgte seinem Blick und riss überrascht die Augen auf. „Was sind das für Felsen? Und warum macht der Nebel einen Bogen um sie?“



Demojon hatte Wuruhudi-Steine entdeckt.

„Das sind Wuruhudi-Steine!“, erklärte Demojon begeistert. „Man nennt sie auch Wachstumsfelsen. Unglaublich − ich hätte nie gedacht, dass es sie hier im Wald gibt!“

Pranicara runzelte die Stirn. „Wachstumsfelsen? Was hat es damit auf sich?“

Demojon strahlte vor Begeisterung. „Wuruhudi-Steine sind extrem selten. Dass wir hier gleich fünf auf einmal vorfinden, ist schlichtweg erstaunlich! Diese Felsen können mithilfe eines Zauberspruchs zum Wachsen gebracht und anschließend wieder verkleinert werden. Doch da dieser Prozess immense Energie erfordert, benötigen sie danach eine gewisse Zeit zur Regeneration. Während dieser Phase sehen sie aus wie gewöhnliche Steine und sind nicht von anderen zu unterscheiden.“

Nachdenklich legte er die Stirn in Falten und betrachtete die Szenerie mit prüfendem Blick. „Da der Nebel einen Abstand zu den Steinen hält, könnte es bedeuten, dass sie bereit sind, zu wachsen.“ Er wandte sich an Pranicara.

„Warte hier kurz“, bat er sie. „Ich möchte etwas ausprobieren.“



Demojon testete die Felsen, ob sie wachstumsbereit waren.

Er trat vorsichtig an die Felsen heran und sprach mit fester Stimme: „Vadho Wuruhudi!“

Sofort begannen die weißen Adern in den Steinen rhythmisch zu pulsieren, als erwachten sie zum Leben.

Dann sprach er: „Bandha Wuruhudi!“

Augenblicklich erlosch das Leuchten, die Adern wurden wieder still.

Demojon riss die Arme in die Luft. „Unglaublich! Sie sind tatsächlich wachstumsbereit!“

Voller Euphorie eilte er zu Pranicara zurück, schlang die Arme um sie und drückte ihr einen lautstarken Kuss auf die Stirn. Seine Augen funkelten vor Begeisterung.

„Ich habe bisher nur über diese Steine gelesen“, sprudelte er hervor. „Aber sie mit eigenen Augen zu sehen − und dann gleich fünf auf einmal! Das ist einfach fantastisch!“

Noch im Rausch seiner Entdeckung zog er sie in einen überschwänglichen Kuss. Doch kaum, dass die Realität ihn wieder einholte, wich sein Enthusiasmus einer plötzlichen Unsicherheit.

„Oh“, murmelte er und sah sie entschuldigend an. „Es tut mir leid, wenn ich dich überrumpelt habe. Ich kann mich manchmal einfach nicht bremsen.“

Pranicara lachte leise, ihre Augen strahlten ihn voller Zuneigung an. „Du bist so wunderbar spontan“, sagte sie sanft und strich mit den Fingerspitzen über seine Wange. „Bitte entschuldige dich nicht immer. Ich mag dich genau so, wie du bist.“

Dann zog sie ihn zu sich heran und küsste ihn mit liebevoller Zärtlichkeit.

Demojons Gesicht hellte sich auf, als könne sein Glück sich nicht weiter steigern. „Du bist das Beste, was mir passieren konnte!“, flüsterte er und schloss sie innig in seine Arme.

Doch Pranicara warf einen Blick gen Himmel, wo die Sonne bereits tief zwischen den Ästen stand. „Ich fürchte, wir sollten uns beeilen“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Sonst kommen wir als Letzte zur Morgenglanzlichtung.“

Demojon grinste, küsste sie noch einmal und ergriff ihre Hand. „Dann los!“

Er zog sie mit sich, und gemeinsam rannten sie lachend durch den Wald, während die Blätter unter ihren schnellen Schritten aufwirbelten.

Atemlos erreichten sie die Lichtung. Er trat hinter sie, legte die Arme um sie und zog sie sanft an sich.

„Wir hätten uns gar nicht so beeilen müssen“, flüsterte er keuchend in ihr Haar. „Wir sind nicht einmal die Letzten.“

Pranicara lachte. „Ich war ja nicht diejenige, die rennen wollte.“

In diesem Moment kam ein junger Elf an ihnen vorbei.

Mit einem amüsierten Grinsen sah er Demojon an. „Ist ja nicht zu fassen!“, bemerkte er spöttisch. „Nach all den Jahren des Schwärmens hast du dich endlich getraut, sie anzusprechen?“



Ein junger Elf bemerkte, dass Demojon
endlich mit Pranicara zusammengekommen war.

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