zurück StartseiteDer Planet AgibaraniaWesen und OrteTitelseiteInhaltsverzeichnis4j) Beziehungsprobleme


Beziehungsprobleme

Mit einer anmutigen Bewegung hob Lililja die Arme, bevor sie die Versammlung eröffnete. Ihre Stimme klang klar und durchdringend, als sie sprach: „Mit dem Segen des Sonnenlichts, das in mir leuchtet, möge das finstere Amulett seine Macht verlieren. Für die Dauer dieser Zusammenkunft der Zaubergemeinschaft sei es taub und mit Blindheit geschlagen.“

Erst nachdem der magische Schutzbann gesprochen war, ließ sie ihren Blick über die Anwesenden schweifen und begrüßte sie mit ruhiger Würde. Sie verkündete, dass Skukius von seinem Suchauftrag zurückgekehrt war − und dies mit wertvollen Erkenntnissen über den dunklen Magier. Kein Wort verlor sie jedoch über die Umstände seiner Flucht. Sie wollte nicht, dass er sich rechtfertigen musste, denn außer seinen engsten Vertrauten kannte niemand die Schatten seiner Vergangenheit.

Dann erklärte sie den Grund für ihren Zauber: Der dunkle Magier besaß ein Amulett, mit dem er ihre Schritte zu verfolgen vermochte. Durch ihren Bann seien sie nun vor seinen lauernden Blicken geschützt.

Nachdem sie geendet hatte, erhob sich Skukius aus dem Korb und begann, von seinen Entdeckungen zu berichten.



Als Pranicara Skukius entdeckte, löste sie sich aus Demojons Umarmung und rannte zum Podium.

Pranicara, die bis eben entspannt an Demojons Brust gelehnt hatte, richtete sich jäh auf. Demojon, der sich mit glückseligem Lächeln viel mehr in der Tatsache verlor, dass er sie endlich an seiner Seite wusste, als dass er der Versammlung wirklich folgte, schreckte auf.

„Was ist los?“, fragte er erschrocken.

„Skukius…“, murmelte Pranicara bestürzt. „Er sieht furchtbar aus! Ich muss zu ihm!“

Demojon spürte, wie sie sich ungeduldig aus seiner Umarmung löste. Ehe er ein Wort des Protests über die Lippen brachte, war sie bereits nach vorn geeilt.

Verwirrt blieb er zurück. Ohne ein Wort hatte sie ihn verlassen − so plötzlich, als hätte sie seine Anwesenheit ganz vergessen. Noch immer ein wenig benommen, ging er ihr nach, ohne zu zögern. Vor dem Podium angekommen, sah er, wie sie mit mit der Handfläche der einen Hand in Richtung Skukius erhoben dastand, während die andere an ihrer Stirn ruhte. Ihre Augen waren geschlossen.

Da begriff er. Sie wirkte Heilmagie.

Er hielt sich in respektvoller Entfernung und beobachtete sie, fasziniert von der Sanftheit ihrer Bewegung, von der Intensität, mit der sie ihre Gabe einsetzte.

Eine leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„Na, da hat sie dich aber ziemlich stehen lassen.“

Demojon drehte sich um. Hinter ihm stand Mitras, sein alter Freund, ein Moorgeist, dessen amüsierte Miene nichts Gutes verhieß.

„Du siehst doch selbst, dass es ein Notfall war“, entgegnete Demojon ebenso leise.

Mitras zuckte die Schultern und grinste. „Trotzdem − dein Gesichtsausdruck eben war unbezahlbar. Als hätte man dir den Boden unter den Füßen weggezogen.“



Mitras zog Demojon auf wegen Pranicaras plötzlichem Aufbruch.

„Ich war nur überrascht, das ist alles“, murmelte Demojon abwehrend.

„Ja, sicher“, erwiderte Mitras schmunzelnd. Dann, mit einem vielsagenden Blick: „Aber mal ehrlich, du warst ohnehin nicht mit deinen Gedanken bei der Versammlung. Eher bei deiner grünen Schönheit.“

Demojon verschränkte die Arme. „Sprich nicht so abfällig über sie! Sie heißt Pranicara − und sie ist wundervoll.“

„Schon gut, schon gut“, gab Mitras beschwichtigend zurück. „Aber sag mal, wie hast du das eigentlich angestellt? Jahrelang traust du dich nicht, sie anzusprechen − und nach nur einer einzigen gemeinsamen Morgenstunde kommt ihr als Paar zurück. Dein Geheimnis solltest du mir verraten.“

Demojon warf Pranicara einen weichen, verliebten Blick zu. „Es gibt kein Geheimnis“, sagte er schlicht. „Es ist einfach geschehen.“

Mitras nickte langsam, dann wurde sein Tonfall ernster. „Pass nur auf, dass du sie nicht mit deiner Liebe erdrückst.“

Demojon runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“



Mitras warnte Demojon, Pranicara nicht mit seiner Liebe zu ersticken.

„Du bist zu sehr auf sie fixiert“, erklärte Mitras ruhig. „Immer, wenn du mit ihr zusammen bist, kannst du den Blick nicht von ihr abwenden. Du berührst sie ununterbrochen. Es ist, als würde der Rest der Welt für dich verschwinden − und wenn sie sich dann doch einmal bewegt, fort von dir, trifft es dich völlig unvorbereitet. Lass ihr Raum zum Atmen, Demojon. Gib sie auch mal frei. Lass sie mit anderen sprechen, ohne dass du an ihrer Seite klebst. Sonst könnte es sein, dass sie irgendwann nichts sehnlicher will, als sich von dir zu lösen.“

Demojon blickte ihn bestürzt an.

Mitras legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Noch ist nichts geschehen“, beruhigte er ihn. „Ihr seid erst seit wenigen Tagen zusammen. Aber denk mal darüber nach.“

Mit diesen Worten ließ er Demojon allein mit seinen Gedanken zurück.

Demojon war verunsichert. Hatte er in seiner Liebe zu Pranicara tatsächlich alles falsch gemacht? Sein Herz schlug doch nur für sie − so sehr, dass er sie keinen Moment von seiner Seite lassen wollte. Er sehnte sich nach ihrer Nähe, wollte sie spüren, wollte ihr mit jeder Berührung, jedem Blick seine Zuneigung zeigen. War das zu viel?

Sein Blick haftete an ihr, während sie dem verletzten Vogel mit heilender Magie Linderung verschaffte. Sie war außergewöhnlich, voller Anmut und Kraft, ein Wesen von beinahe überirdischer Schönheit.

Doch hatte Mitras recht mit seinen Worten? Würde Pranicara sich eines Tages in seiner Liebe eingeengt fühlen? Würde es wieder seine Art sein, die eine Beziehung zerbrechen ließ?

Schon jetzt spürte er einen dumpfen Schmerz in seiner Brust − als hätte er es bereits zerstört, noch bevor es richtig begonnen hatte. Die Angst nagte an ihm: Er würde es vermasseln. Er würde sie verlieren, weil er sie zu sehr festhielt.

Mit gesenktem Kopf wandte er sich ab und kehrte an den Platz zurück, an dem er noch vor wenigen Minuten so überglücklich gewesen war. Er ließ sich ins Gras sinken und zwang sich, sich auf die Versammlung zu konzentrieren − ein verzweifelter Versuch, seine aufgewühlten Gedanken zu bändigen.

Die Diskussion war in vollem Gange. Mit Blick auf die bedrohliche Präsenz der Schattenkrieger regte Meister Vatanos an, die Blauschnäuzchen zur Morgenglanzlichtung zu führen. Vielleicht vermochten sie, einige der dunklen Flüche zu bannen, falls die Hüterin des Lichts aus irgendeinem Grund daran gehindert würde.



Unglücklich zog sich Demojon an den Platz zurück, an dem er vorhin noch so glücklich gewesen war.

Demojon schrak aus seiner Trance. Vieles von Lililjas Eröffnungsworten und Skukius′ Bericht war an ihm vorbeigezogen, doch nun spürte er die Schwere der Lage. Die Zauberwesen spekulierten bereits offen darüber, dass der Kampf mit dem dunklen Magier unmittelbar bevorstehen könnte.

Er ließ seinen Blick über die Lichtung schweifen. Offen und ungeschützt lag sie da − ein schutzloses Feld, das sie den dunklen Flüchen ausgeliefert ließ.

Plötzlich sprang er auf und hob die Hand. Lililja nickte ihm zu.

„Diese Lichtung bietet uns keinen Schutz“, begann er mit fester Stimme. „Doch nicht weit von hier habe ich Wuruhudi-Steine entdeckt − Felsen, die wachsen können. Sie sind bereit, ihre Gestalt zu verändern. Wenn wir sie hierherbringen und strategisch platzieren, könnten wir natürliche Deckung schaffen. Nach dem Kampf könnten wir sie wieder schrumpfen lassen und von der Lichtung entfernen, damit sie ihr ursprüngliches Aussehen bewahrt.“

Stille folgte seinen Worten. Die Zauberwesen starrten ihn an, als hätte er soeben das Unmögliche vorgeschlagen.

Lililja, die den unausgesprochenen Zweifel in den Gesichtern erkannte, fragte schließlich: „Demojon, kannst du uns mehr über diese Wuruhudi-Steine erzählen?“

Er wiederholte geduldig die Erklärung, die er bereits Pranicara gegeben hatte.

Ein Lächeln umspielte Lililjas Lippen. „Das klingt vielversprechend! Zeige Rafyndor den Ort, damit er prüfen kann, ob wir die Felsen gefahrlos von dort fortbewegen können.“

Demojon nickte, und als Rafyndor an seine Seite trat, machten sie sich ohne Zögern auf den Weg.



Demojon machte sich mit Rafyndor auf den Weg, um ihm die Wuruhudi-Steine zu zeigen.

Schweigend schritt der junge Vykati neben dem Waldhüter dahin, seine Haltung in starkem Kontrast zu dem überschwänglichen Wesen, das er noch am Vortag gezeigt hatte, als er an Pranicaras Seite gestanden hatte.

„Demojon“, begann Rafyndor behutsam, „was bedrückt dich?“

Doch der Angesprochene zuckte nur wortlos mit den Schultern, seine Miene von trüber Nachdenklichkeit überschattet.

„Geht es um Pranicara?“, hakte Rafyndor weiter nach. Wieder erhielt er lediglich ein trauriges Schulterzucken.

„Habt ihr euch gestritten?“ Seine Stimme war sanft, doch Demojon schüttelte nur niedergeschlagen den Kopf.

Der Waldhüter seufzte leise. „Komm schon, Demojon“, versuchte er es erneut. „Ich kenne meine Cousine gut. Vielleicht kann ich dir in dieser Angelegenheit helfen?“

Doch Demojon reagierte nicht, zuckte nur erneut mit den Schultern − ein Ausdruck resignierter Ratlosigkeit.

Rafyndor ließ davon ab. Er hatte es versucht, doch wenn Demojon nicht von sich aus sprach, konnte er ihn nicht dazu zwingen.

Schweigend setzten sie ihren Weg fort, bis sie schließlich die Stelle erreichten, an der die Wuruhudi-Steine lagen.

Als Rafyndor die vom Nebel befreite Lichtung erblickte und die fünf massiven Felsen vor ihm aufragten, weiteten sich seine Augen vor Erstaunen.

„Beeindruckend! Ich habe diese Steine hier zwar schon gesehen, aber mir war nicht bewusst, dass sie magischer Natur sind. Kannst du einen davon wachsen und wieder schrumpfen lassen?“

Demojon seufzte − ein lautloses Echo seiner melancholischen Gedanken −, bevor er mit tonloser Stimme antwortete: „Wenn ich hier einen wachsen lasse, können wir ihn später auf der Lichtung nicht mehr verwenden. Die überlieferte Regenerationszeit eines Wuruhudi-Steins beträgt ungefähr hundert Jahre. Ich werde warten, bis wir sie dorthin geschafft haben.“



Rafyndor kannte diese Felsen, doch wusste er bislang nicht, dass sie magisch waren.

Rafyndor nickte verständig. „Dann sollten wir sie noch heute hinüberbringen“, überlegte er. „Am besten direkt nach der Versammlung. Ich sehe keinen Grund, der dagegenspricht. Sie scheinen die Vegetation hier nicht wesentlich beeinflusst zu haben. Kannst du den Transport organisieren?“

Demojon nickte, doch sein Blick blieb düster. Einen Moment rang er mit sich, bevor er schließlich doch seine Sorgen offenbarte.



Demojon sprach mit Rafyndor über seine Sorgen bezüglich Pranicara.

„Rafyndor…“, begann er zögerlich, und die Unsicherheit in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Ich habe mir schon so lange gewünscht, mit Pranicara zusammen zu sein. Jetzt ist dieser Traum Wirklichkeit geworden, und ich bin glücklicher als je zuvor. Aber zugleich fürchte ich, dass ich mit meiner impulsiven, unbedachten Art alles wieder zunichtemache. Ich könnte sie von mir forttreiben, ohne es zu wollen. Und das würde ich nicht ertragen… Was soll ich tun?“

Rafyndor schmunzelte leicht. „Sprich mit ihr“, riet er ihm schlicht. „Vergiss nicht − Pranicara ist Seelenheilerin. Sie wird deine Unsicherheiten verstehen. Wenn du sie fragst, wie du mit ihr umgehen sollst, wird sie dir eine ehrliche Antwort geben. So kompliziert ist sie gar nicht.“

Demojon musterte ihn skeptisch. Konnte es wirklich so einfach sein? War ihre Beziehung noch zu retten?

Rafyndor bemerkte seine Zweifel und fügte mit einem aufmunternden Lächeln hinzu: „Eines ist jedenfalls klar − du musst etwas an dir haben, das sie tief beeindruckt hat. Ich hätte nie gedacht, dass sich Pranicara so schnell auf eine Beziehung einlässt, und dann mit jemandem, den sie gerade erst kennengelernt hat.“

Ein unsicheres Lächeln huschte über Demojons Gesicht. „Ich habe mich schon vor langer Zeit in sie verliebt“, gestand er leise. „Aber ich habe mich nie getraut, sie anzusprechen. Ich wusste nicht, in welcher Beziehung ihr zueinander steht… Erst vorgestern hat sie mir erzählt, dass du ihr Cousin bist.“

Rafyndor lachte leise bei der Vorstellung, dass er und Pranicara ein Paar sein könnten. In lockerem Gespräch machten sie sich schließlich auf den Rückweg zur Morgenglanzlichtung.

Währenddessen nagten schwere Selbstvorwürfe an Pranicara. Hatte sie Demojon wirklich einfach so stehen lassen, ohne einen erklärenden Blick, ohne ein einziges Wort?

Völlig in die Heilungsmagie für Skukius vertieft, war es ihr entgangen, dass Lililja Rafyndor und Demojon beauftragt hatte, sich um die Wuruhudi-Steine zu kümmern. Nun aber, da sie ihre Zeremonie beendet hatte und sich wieder Demojon zuwenden wollte, fand sie ihn nicht vor. Eine unangenehme Unruhe breitete sich in ihr aus. Hatte sie ihn womöglich verletzt? War er enttäuscht, gar wütend oder niedergeschlagen davongegangen?

Sie biss sich auf die Lippe und kämpfte gegen das drängende Schuldgefühl an. Sie hätte einfühlsamer sein müssen − sie wusste doch, wie verletzlich Demojon war, wie leicht ihn Zweifel und Unsicherheit überkamen. Was, wenn er nun glaubte, sie habe ihn zurückgewiesen?



Pranicara machte sich große Vorwürfe, dass sie sich so heftig von Demojon losgerissen hatte und sorgte sich darum, ihn damit fortgetrieben zu haben.

Wie konnte sie sich nur bei ihm entschuldigen? Sie kannte nicht einmal seinen Wohnort! Würde er ihr bei der nächsten Versammlung die kalte Schulter zeigen, ihr aus dem Weg gehen?

Pranicara, du hast versagt!, schalt sie sich selbst. Was bist du nur für eine entsetzliche Seelenheilerin, wenn du nicht einmal auf die Empfindungen deines eigenen Gefährten achtest?

In diesem Moment erblickte sie ihn. Gemeinsam mit Rafyndor kehrte er zur Morgenglanzlichtung zurück. Überraschung mischte sich in ihre Verwirrung. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Rafyndor bemerkt, dass Demojon fortgegangen war, und ihn zurückgeholt?

Ohne weiter zu zögern, lief sie ihnen entgegen.

„Hier, Pranicara“, sagte Rafyndor mit einem amüsierten Lächeln. „Ich bringe dir Demojon zurück. Er hat mir eben die Wuruhudi-Steine gezeigt, die er entdeckt hat. Aber ich lasse euch nun lieber allein.“

Er zwinkerte Demojon aufmunternd zu und ließ die beiden stehen.

„Demojon!“ Glücklich rief sie seinen Namen und fiel ihm impulsiv um den Hals. „Es tut mir so leid, dass ich mich vorhin so abrupt von dir losgerissen habe, aber Skukius brauchte dringend meine Hilfe!“

Demojon war von ihrer stürmischen Begrüßung überrumpelt. Nach all den dunklen Gedanken, die ihn in den letzten Minuten gequält hatten, war eine solche Reaktion das Letzte, womit er gerechnet hatte. Für einen kurzen Moment blieb er reglos stehen, doch dann erwiderte er ihre Umarmung voller Erleichterung.

Zärtlich flüsterte er: „Alles gut, mein Schatz. Ich habe doch gesehen, dass du Skukius zur Hilfe geeilt bist.“



Rafyndor brachte Demojon zu Pranicara zurück.

Impressum Sitemap Links Feedback