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Im Zentrum der hellen Magie lag eine spürbare Unruhe in der Luft, eine Nervosität, die sich wie ein flüchtiger Schatten durch die Zaubergemeinschaft zog. Die Hüterin des Lichts war seit Tagen nicht mehr gesehen worden, und doch schworen verschiedene Magier, ihr erst kürzlich begegnet zu sein, mit ihr gesprochen zu haben, als wäre sie nur einen Moment aus ihrem Blickfeld verschwunden.
Doch in den Reihen der einfachen Bevölkerung wuchs der Zweifel. Etwas stimmte nicht. Eine Unstimmigkeit lag in der scheinbaren Gewissheit, doch was genau verbarg sich hinter diesem trügerischen Schleier?
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Meister Lehakonos fragte sich, wie lang die Täuschung bezüglich Lililjas Abwesenheit aufrecht erhalten bleiben kann.
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Meister Lehakonos fühlte sich zunehmend unwohl. Wie lange noch konnte diese Täuschung aufrechterhalten werden, bevor erste Gerüchte nach Hadadust oder gar zu diesem Unda-Irgendwas drangen? Er wusste es nicht. Und er wusste noch weniger über die wahre Entfernung des Portals von der Morgenglanzlichtung. Stunden? Wochen? Wer mochte es sagen?
Da er Mojalians Bitte einst ohne Zögern nachgekommen war, hatte er nie danach geforscht, wer das Portal ursprünglich entdeckt hatte − und somit fehlte ihm nun auch eine Spur, wem er diese Frage stellen könnte.
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Gleichzeitig entging es ihm nicht, dass seit Lililjas Aufbruch auch Rafyndor und Skukius nicht mehr an den Versammlungen teilnahmen. Dafür aber schien Pranicara, die neuerdings stets eng an der Seite dieses jungen Vykati stand − jenes Demojon, der in den Reihen seiner Artgenossen keinen sonderlich ehrenvollen Ruf genoss − erstaunlich ruhig. Die Seelenheilerin wirkte entspannt, fast gelöst, und es erwies sich als schwierig, sie jemals ohne jenen Demojon anzutreffen, um mit ihr ein vertrauliches Wort zu wechseln.
Doch heute, so nahm sich der alte Lehrmeister vor, würde er nach der Versammlung eine Gelegenheit schaffen, mit ihr unter vier Augen zu sprechen.
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Auch Jadoruc hatte längst bemerkt, dass dieser missratene Vykati-Junge, zur Schande seiner Eltern, sich mit einem Waldgeist eingelassen hatte − ausgerechnet mit der Seelenheilerin! Es passte zu ihm. Demojon hatte sich schon immer, vorsichtig ausgedrückt, anders verhalten, als es sich für einen Vykati ziemte. Jadoruc war sich sicher, dass die Eltern nichts von dieser Verbindung wussten, sonst hätten sie längst eingegriffen. Vykati hielten sich an ihresgleichen − ein Waldgeist hatte in ihren Reihen nichts verloren! Er hatte bereits erwogen, die Eltern des Jungen über diesen bedauerlichen Umstand in Kenntnis zu setzen. Doch warum ihre Sorgen noch vermehren, wo ihr verirrter Sohn ihnen bereits genug Kummer bereitete?
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Jadoruc schaute missbilligend auf die Beziehung zwischen Demojon und Pranicara.
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Demojon jedoch ließ derlei Gedanken nicht an sich heran. In Pranicara hatte er gefunden, wonach er sich gesehnt hatte, und nichts auf der Welt konnte ihm dieses Glück trüben. Jeden Abend, nach seiner Arbeit, machte er sich auf den beschwerlichen Weg zu ihr, ungeachtet aller Widrigkeiten. Was war schon ein mühsamer Pfad gegen die Wärme ihrer Nähe? Sie erwartete ihn stets mit einer dampfenden Tasse frisch gebrühten Kemulitees, und gemeinsam genossen sie die Stille fernab der Zaubergemeinschaft − ein Rückzugsort nur für sie beide.
Seitdem er wusste, dass er die Abende ungestört mit Pranicara verbringen durfte, fiel es ihm leichter, sich während der Versammlungen zu konzentrieren. Zwar wich er weiterhin nicht von ihrer Seite, stand stets nahe bei ihr, suchte ihren Blick, berührte sie flüchtig, doch seine Gedanken waren nicht mehr, wie Mitras es einst amüsiert bemerkt hatte, ausschließlich auf sie fixiert.
Pranicara selbst empfand diese Nähe nicht als Enge. Im Gegenteil − sie spürte, dass Demojons Unsicherheiten, die ihn zu Beginn ihrer Beziehung noch gequält hatten, allmählich wichen. Mit jedem Tag festigte sich das Band zwischen ihnen, wuchs auf einer stabilen Grundlage heran. Diese Entwicklung erfüllte sie mit tiefem Glück. Sie fühlte sich angekommen, geborgen in seiner Gegenwart. Und so schenkte sie ihm immer wieder ein Lächeln – voller Zuneigung, voller Gewissheit, dass ihre Herzen im gleichen Takt schlugen.
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Pranicara stellte Meister Lehakonos ihren Freund Demojon vor.
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Wie geplant trat Meister Lehakonos nach der Versammlung auf Pranicara zu. Der junge Vykati, der sie von hinten umfing, ließ kaum Zweifel daran, dass er ihre Nähe suchte − oder dass sie diese genoss.
„Das ist Demojon“, stellte die Waldgeistfrau ihren Gefährten vor, während sie einen liebevollen Blick über die Schulter zu ihm warf.
„Ah, erfreut, dich kennenzulernen“, entgegnete Meister Lehakonos höflich, bevor er sich wieder Pranicara zuwandte. „Ich müsste dich kurz allein sprechen. Wäre das möglich?“
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„Natürlich“, erwiderte sie ohne Zögern, umarmte Demojon kurz, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und folgte dann dem alten Lehrmeister einige Schritte von der Versammlung fort.
Meister Lehakonos runzelte die Stirn. „Ich mache mir Sorgen um Rafyndor und Skukius. Seit Lililjas Fortgang haben sie keiner einzigen Zusammenkunft mehr beigewohnt.“
Pranicara, deren Blick immer wieder sehnsüchtig zu Demojon wanderte, schien nur halb bei der Sache, als sie beiläufig erwiderte: „Die beiden sind auf dem Weg zum Portal. Sie wollen Lililja dort treffen.“
Der alte Lehrmeister hielt inne, als hätte sie ihm soeben einen unglaublichen Umstand offenbart. „Woher wissen sie, wie man dorthin gelangt?“ Seine Verwunderung ließ seine Stimme beinahe beben.
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In diesem Moment durchfuhr es Pranicara wie ein Blitz. In Gedanken an Demojon hatte sie unbedacht ein Geheimnis preisgegeben − eines, das Mojalian ihnen untersagt hatte, jemals zu enthüllen. Ihre Augen weiteten sich, als sie Meister Lehakonos′ forschenden Blick bemerkte.
Leiser, fast schuldbewusst, sprach sie schließlich: „Skukius hat das Portal damals entdeckt. Rafyndor begleitete Mojalian als Übersetzer, als dieser es inspizierte, um seinen Zustand zu überprüfen. Doch Mojalian wies uns damals ausdrücklich an, den Finder niemals zu benennen. Das ist mir gerade… versehentlich herausgerutscht.“
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Pranicara war durch Demojon abgelenkt und verriet geistesabwesend dem Hohenmagier, dass Skukius das Portal entdeckt hatte.
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Meister Lehakonos schwieg für einen Moment und ließ seinen Blick über Demojon schweifen, der unweit von ihnen stand. Schließlich sagte er mit nachdenklicher Stimme: „Du scheinst diesem jungen Vykati sehr zugetan zu sein.“
Pranicara errötete leicht, doch ihre Augen strahlten. „Er ist außergewöhnlich, einfach wunderbar.“
Meister Lehakonos seufzte leise. „Weißt du, dass er unter den Vykati keinen guten Ruf genießt?“
Pranicara lachte leise, beinahe spöttisch. „Oh ja. Weil er sich nicht wie ein typischer Vykati verhält. Er ist ungestüm, unberechenbar, leidenschaftlich − ein Wesen aus purem Feuer, während seine Artgenossen in kaltem Stein gemeißelt scheinen. Und genau das liebe ich an ihm.“
Der alte Lehrmeister musterte sie eindringlich. Ihr Glück war unübersehbar, doch gerade das ließ ihn umso mehr an der Zukunft dieser Verbindung zweifeln.
„Pranicara“, begann er erneut und wartete, bis sie sich von ihrem Blickwechsel mit Demojon löste. „Ist dir bewusst, dass Vykati nur ihresgleichen in ihrer Gemeinschaft dulden?“
„Und was wäre, wenn dem so ist?“ Sie wandte den Kopf erneut zu Demojon, als könnte sein bloßer Anblick alle Zweifel hinwegfegen.
Der alte Lehrmeister straffte die Schultern. „Pranicara, sei so gut und sieh mich an“, sagte er mit leiser Strenge. „Lass Demojon für fünf Minuten aus deinem Blickfeld. Du benimmst dich wie ein verliebter Backfisch. Es ist wichtig!“
Seufzend schenkte sie ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
Meister Lehakonos sprach mit Bedacht. „Ich fürchte, dass du und Demojon auf lange Sicht kein dauerhaftes Glück finden werdet. Sollten seine Eltern von eurer Verbindung erfahren, werden sie sie nicht dulden. Es gehört sich nicht für einen Vykati, eine Bindung mit einem Waldgeist einzugehen. Ihr Zorn wird unermesslich sein.“
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Meister Lehakonos warnte Pranicara, dass Vykati keine Waldgeister in ihren Reihen akzeptierten.
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„Was genau soll das heißen − es gehört sich nicht?“, entgegnete sie scharf, und ein dunkler Schatten zog über ihre Miene.
„Wie ich schon sagte: Vykati umgeben sich ausschließlich mit ihresgleichen“, wiederholte der alte Lehrmeister mit unbewegter Stimme. „Selbst Elfen, die sie gerade noch ertragen, werden eher aus Höflichkeit toleriert als wirklich akzeptiert. Eine Bindung mit einem Waldgeist jedoch ist für sie vollkommen ausgeschlossen.“
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Ein Funke Zorn blitzte in ihren smaragdgrünen Augen auf. „Wisst Ihr, Demojon ist für die anderen Vykati ebenso wenig akzeptabel wie ich. Sein ganzes Leben lang musste er sich anhören, er sei kein richtiger Vykati. Selbst seine Eltern schämen sich für ihn, nur weil er anders ist! Diese Ablehnung hat ihn tief verunsichert, weil er sich nie irgendwo zugehörig fühlen durfte. Dabei ist er gebildet, klug, weitaus mehr als sie in ihm sehen wollen. Er war hauptverantwortlich für die Hauchzauberdunst-Areale und setzte sich für die Deckung der Lichtung ein. Er hat Rafyndor und mir sogar erklärt, wie Gamdhod uns in die Jada-Eiche bannen konnte! Und Ihr glaubt wirklich, dass er mich als inakzeptabel ansieht?“
Meister Lehakonos seufzte, seine Stimme sanfter als zuvor. „Es geht nicht um ihn, Pranicara. Es geht darum, dass eine Verbindung zu dir ihn endgültig aus der Gemeinschaft der Vykati ausschließen würde. Niemand von ihnen würde sich noch öffentlich mit ihm zeigen.“
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Pranicara lachte bitter auf. „Habt Ihr beobachtet, wie sie reagiert haben, als Lililja sie aufforderte, mit ihm zusammenzuarbeiten? Sie meiden ihn bereits jetzt! Deshalb ist er bei mir. Ich nehme ihn so, wie er ist, und finde ihn schlicht brillant. Er muss sich mir gegenüber nicht verstellen, sich nicht in eine Rolle zwängen, die ihm nicht entspricht. Sollen seine Eltern oder andere Vykati doch kommen − ich werde ihnen schon das Passende zu sagen wissen!“
Ihre grünen Augen funkelten vor Entschlossenheit.
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Pranicara erzählte, dass Demojon aufgrund seines Charakters von seiner Familie abgelehnt wurde, obwohl er sehr belesen und unheimlich klug war.
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Meister Lehakonos sah sie zunächst verdutzt an, doch dann schlich sich ein nachdenkliches Lächeln auf seine Lippen.
„Meine liebe Pranicara“, sagte er sanft, „ich glaube, ich habe mich geirrt. Ihr werdet euren eigenen Weg finden, dessen bin ich mir sicher. Doch Demojons Eltern… sie werden es nicht leicht ertragen.“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter. „Demojon kann sich glücklich schätzen, dich an seiner Seite zu wissen.“
Pranicaras Zorn verebbte. Mit einem sanften Lächeln nickte sie. „Danke.“
Der alte Lehrmeister trat einen Schritt zurück. „Dann will ich euch nicht weiter trennen. In erster Linie galt meine Sorge Rafyndor und Skukius. Dein Geheimnis bezüglich des Portals ist bei mir sicher aufgehoben.“
Pranicara schenkte Meister Lehakonos ein dankbares Nicken, bevor sie mit fliegendem Haar zu Demojon eilte. Ohne zu zögern fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn voller Inbrunst.
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Meister Lehakonos hatte seine Meinung geändert und war nun davon überzeugt, dass Pranicara mit dem jungen Vykati glücklich werden könnte.
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Der alte Lehrmeister schmunzelte leise, während er die Szene beobachtete. Oh ja, dachte er, Demojon kann sich wahrlich glücklich schätzen, Pranicara an seiner Seite zu wissen.
Der junge Vykati war von der plötzlichen Zärtlichkeit überrumpelt, doch er erwiderte ihren Kuss, bevor ihm bewusst wurde, dass sämtliche Augen auf ihnen ruhten. Für einen Moment erstarrte er, spürte die altvertraute Unsicherheit in sich aufsteigen wie kaltes Wasser, das ihn zu verschlingen drohte. Doch dann konzentrierte er sich auf Pranicara – auf ihre Wärme, auf ihre Zuneigung, die ihn stets mit unerschütterlicher Gewissheit umhüllte.
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Was scherte es ihn, was die anderen dachten? In diesem Augenblick hielt er die Frau in seinen Armen, die ihn sah, wie er war − und das war das Einzige, was zählte.
Als sich ihre Lippen schließlich voneinander lösten, huschte ein belustigtes Lächeln über sein Gesicht. „Hör mal, das Ungestüme bin doch eigentlich ich. Bist nicht du immer die Vernünftige von uns beiden?“ Er vermied es, den Blick über die Lichtung schweifen zu lassen − er wollte nicht wissen, welche Blicke die anderen Vykati ihnen zuwarfen.
Pranicara zuckte mit den Schultern. „Ach, ich habe mich einfach geärgert.“
„Das war nicht zu übersehen, mein Schatz.“ Sanft strich er ihr über das Haar, ließ seine Finger für einen Moment darin verweilen. „Ich konnte deine Reaktion deutlich spüren, auch wenn ich kein Wort gehört habe. Was hat dich so aufgebracht?“
Sie zögerte. Sie kannte Demojon gut genug, um zu wissen, dass er sich von einem bestimmten Thema nur allzu leicht verunsichern ließ. Schließlich nahm sie seine Hand und zog ihn zu einem großen Felsbrocken, hinter dem Lililja vor einigen Tagen Rafyndor die Wahrheit über sich und Mojalian offenbart hatte. Dort angekommen, blickte sie ihn sanft an.
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„Meister Lehakonos hat mich gewarnt, dass deine Eltern sich in unsere Beziehung einmischen könnten“, begann sie vorsichtig.
Demojon erstarrte. Genau das hatte sie befürchtet.
Doch sie ließ ihm keine Zeit, sich von seinen Ängsten einnehmen zu lassen. Sie nahm seine Hände in ihre eigenen, legte sie an ihre Hüften und schlang dann die Arme um ihn. „Er sagte, ein Waldgeist sei für einen Vykati… inakzeptabel.“
Sie spürte, wie sich sein Körper anspannte, und verstärkte ihren Griff um ihn. Ihre Stimme wurde fester, entschlossener.
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Pranicara zog Demojon hinter einen Felsen, um ihn vor den Blicken der anderen Vykati zu schützen.
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„Ich habe ihm geantwortet, dass es mich zornig macht, dass niemand dich so akzeptiert, wie du bist. Dass ich dich fantastisch finde, genau so, wie du bist. Und dass, sollte jemand − sei es deine Familie oder irgendein anderer Vykati − es wagen, sich in unsere Angelegenheiten einzumischen, ich ihnen mit Vergnügen meine Meinung über dich mitteilen werde.“
Ihre Augen funkelten, während sie sich leicht auf die Zehenspitzen erhob und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte.
Demojon spürte, wie sich eine Welle der Erleichterung in ihm ausbreitete, warm und sanft wie Sonnenlicht nach einem langen Winter. Seine Unsicherheit wich dem tiefen Wissen, dass er bei ihr sicher war. Er schloss die Augen und erwiderte ihren Kuss mit einer Inbrunst, die alles Unausgesprochene ausdrückte, was in ihm loderte.
Als sie sich voneinander lösten, strich er mit sanften Fingern über ihre Wange und seufzte. „Ich hatte so große Angst, dass du dich von mir distanzieren würdest, wenn du erfährst, dass mein Volk dir nichts als Ablehnung und Groll entgegenbringen wird. Doch ich beginne zu glauben, dass dich so leicht nichts aus der Fassung bringen kann, nicht wahr?“
Pranicara legte den Kopf leicht schief, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen. „Nun ja, da gab es einst einen völlig missratenen Vykati, dem dieses Kunststück tatsächlich gelungen ist.“
Demojon lachte − warm, befreit − und zog sie erneut in einen Kuss.
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Pranicara gelang es immer wieder, Demojon seine Unsicherheit zu nehmen.
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